Kapitel 20

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„Frau Bajrami wachen Sie auf. Frühstück!", die Stimme der Krankenschwester weckt mich behutsam auf und ich gähne erst mal meine Seele aus dem Leib und strecke mich.

Mann! So müde war ich lange nicht mehr!

Ich setze mich im Bett auf und esse wie üblich den Haferbrei. Ganz ehrlich, heute schmeckt er sogar sehr gut. Vielleicht aber auch nur, weil ich schon seit Tagen nichts mehr gegessen habe.

Nachdem ich fertig bin, zieh ich mich an und die Krankenschwester verlässt das Zimmer. Sie schaut ganz süss aus. Eine kleine pummlige Dame. Mitte vierzig, kurze Haare und braune Augen. Sie schaut südländisch aus.

Meine Familie kommt nicht mal zehn Minuten später rein. Edon's Blick spricht Bände. Mein Aussehen beunruhigt ihn.

„Na Bruder? Wie schau ich aus?", sage ich lachend. Er soll merken, dass ich seinen Blick bemerkt habe. Noch habe ich ja die Haare auf dem Kopf, denke ich mir.

Edon läuft mit offenen Armen auf mich zu und Blendjona macht es ihm nach. Sie umarmen mich beide kräftig und küssen mich. Diese Vertrautheit kenne ich gar nicht.

„Du hast noch nie besser ausgeschaut.", in seinen Augen stauen sich Tränen an und er wendet beschämt seinen Blick von mir ab.

Meine Eltern begrüssen mich auch beide und fragen mich nach meinem Wohlergehen. Wie ich die Nacht überstanden habe und wie ich mich fühle.

Nach einem kleinen Smalltalk verlassen sie beide das Zimmer, um mit Herrn Hader zu sprechen.

„Du hast es hier ja richtig gut...", Blendjona schaut sich im Zimmer umher und ich nicke. Sie wirkt etwas nervös. Als hätte sie mir etwas Wichtiges zu sagen.

„Ja. Ist wirklich nicht schlecht!"

Ich beobachte Edon auf dem Balkon. Er hält mit beiden Händen das Geländer fest, wie ich gestern und schaut in die Weite. Seine Gesichtszüge sind scharf. Der Drei-Tage Bart ist die Kirsche auf dem Sahnehäufchen. Er könnte locker als Model durchgehen. Die Lederjacke, das weisse T-Shirt mit dem V-Ausschnitt und seine zerrissene Jeans lassen meinen grossen Bruder wie den grössten Herzensbrecher aussehen. Zayn Malik Double.

„Edon ist krass drauf in letzter Zeit...", flüstert Blendjona. Wahrscheinlich hat sie bemerkt, dass ich Edon beobachte.

Ich wende meinen Blick von ihm ab und schaue Blenjona an. „Wieso Jona?"

„Er hat nachts Albträume. Mama und Papa wissen nicht was los ist mit ihm. Ich glaube er hat das Gefühl versagt zu haben...", Jona schaut ihre Hände an und wird ganz rot. Ihre Lippen zittern, ein Zeichen dafür, dass sie gleich losheult.

„Wie versagt?", ich verstehe nicht, was Blendjona meint.

„Weisste Miri, er wollte immer, dass uns - dass dir nichts passiert...", nun schluchzt sie leise los und nimmt zitternd meine Hand in ihre.

Sie schaut mich fest an. Die Wangen glühend rot, die braunen Augen Tränenerfüllt.

„Miri du musst das schaffen. Das wird schon, oder?", sie schnieft und mein Herz zersplittert bei ihrem Anblick in tausend Stückchen.

„Ich brauche dich, okay? Ich will nicht alleine sein. Ich habe nur dich. Edon hat keine Lust mir zu helfen. Mama und Papa haben keine Zeit für mich wegen der Arbeit", sie lässt ihren Tränen freien Lauf. Auch ich fange an zu weinen und schlinge meine Arme fest um ihren zitternden Körper.

„Was mache ich nur ohne dich? Es ist schon jetzt schlimm. Im Haus ist es so leer. Niemand redet. Alle versuchen optimistisch zu bleiben, aber Miri, ich kann nicht optimistisch sein!", sie zieht sich aus meinem Griff weg und fasst sich aufgelöst an den Kopf. Ihr Kiefer bebt, ihre Haare sind verstrubelt. „Miri ich kann nicht so tun, als wenn alles wieder gut wird. Meine Hälfte fehlt...", Sie fasst sich mit dem Hand an das Herz und schlägt darauf. „Du fehlst...Ich habe das Gefühl dich zu verlieren. Ich will mich nicht verlieren. Ohne dich bin ich nicht vollständig!", Jona kann gar nicht mehr aufhören zu weinen. Edon betritt leise das Zimmer. Auch bei ihm fliessen die Tränen. Er scheint die Situation verfolgt zu haben. Seine Ohren sind ganz rot. Edon stürzt sich förmlich auf uns und umarmt uns mit seinen kräftigen Armen. Mein grosser Bruder. Wie oft hatte er das getan, als ich und Jona ganz klein waren und Angst hatten.

„Ich werde kämpfen!", sage ich mit entschlossener Stimme.

„Ich würde euch niemals im Stich lassen!", Mein Körper zittert.

„Verprochen?", Edon's Stimme ist ganz rau vom Weinen.

„Versprochen..."

Da stehen wir drei. Fest umschlungen. Geben uns Halt und Sicherheit. Liebe und Geborgenheit.

Die Frage ist nur: Wie lange noch?

Fati im ( Mein Schicksal )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt