Kapitel 43

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Arton stärkt seinen Druck um meine Hand. Mit grossen Schritten hasten wir einen Weg entlang. Er hält bei einer Bank vor dem See inne und weist mich hinzusitzen. Mein Atem geht schnell und flach. Ich fühle mich krank. Ein innerlicher Schmerz bereitet sich in mir aus. Ich weiss, dass das was kommen wird, mein Herz zum zersplittern bringt.

Er setzt sich zu mir und knetet nervös seine ineinander Hände. Sein Blick ist gerade aus auf den See gerichtet. Ein paar Boote fahren auf dem ruhigen See und bilden kleine Wellen. Die Sonne scheint schwach, der Himmel ist ein wenig bewölkt. Mein Blick geht in die Leere. Eine Gänsehaut überfliegt mich. Der Kloss in meinem Hals wird immer grösser. Ich versuche ihn leise runterzuschlucken, doch es geht nicht.

„Ich...", erlischt Arton die Ruhe, „Ich werde nie vergessen, wie ich zum ersten Mal deine Hand gehalten habe...", seine Stimme ist brüchig. Auch er hat mit seinem Inneren zu kämpfen. Ein Kampf, der grösser ist, als alles andere. Der Kampf gegen die Gefühle.

„Arton...", „Halt Stopp...", unterbricht er mich. Tränen steigen ihm in die Augen, erneut. Er fasst sich an die linke Brust. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie sehr es weh tut...", seine Augen zucken, die Tränen fliessen, ich bin wie betäubt.

„Ich kann dir das erklären...", ich versuche nach den richtigen Wörtern zu finden. Will seine Hände in meine nehmen, doch er wendet sich ab. Seine Haltung ist verschlossen.

„Ich...Ich...", dann bricht meine Stimme. „Für mich...", mein Satz wird von mehreren Schluchzern unterbrochen. „Bist du der schönste Junge den ich kennenlernen durfte." Meine Tränen hinterlassen eine brennende Spur. Arton steht auf, fährt sich durch die Haare.

„Arton, mein Engel. Ich habe dich verm..."„Nenn mich nicht so!", schreit er unerwartet auf mich herunter. Er lässt seinen Tränen freien Lauf. „Wenn ein Mensch dich wirklich will, wenn er dich genauso vermissen würde, wie du ihn dann würde er aus jedem Tag das Beste rausholen und zu dir kommen! Er würde jeden Tag kämpfen und dich nicht ewig warten lassen! Würde diesem verdammten Menschen wirklich was an dir liegen, würde er niemals zulassen, dass du jede Nacht mit tausenden Gedanken einschläfst. Er würde nicht zulassen, dass du verzweifelst! Er würde all diese Sachen niemals zulassen, wenn er dich genauso lieben würde wie du ihn...!", ich senke meinen Blick. Meine Augen brennen vom Weinen. „Du fehlst mir mehr, als ich momentan verkraften kann, glaubst du mir das?", hauche ich.

„Selbst die stärksten Menschen haben ihre Grenzen...", sein Blick versteinert sich. „Wie lange?", fragt er. Ich schaue ihn mit einem Tränenschleier an „Seit knapp fünf Monaten."

„Wieso wussten es alle, ausser mir?" „Arton..." „Hatte es für dich keine Bedeutung? Unser Treffen? Hatte all das keine Bedeutung für dich?!", ich schaue auf meine zitternden Füsse „Nichts ist schwerer, als Gefühle unterdrücken zu müssen. Ich wollte dich da nicht auch noch mit hineinziehen. In diese ganze Sache. Ich wollte dich nicht verletzen!"

„Was? Wie meinst du das?" „Ich bin eine tickende Zeitbombe okay??? Ich wollte die Anzahl Menschen, die ich verletze möglichst gering behalten! Denkst du es hat mir Spass gemacht, meine Eltern, meine Geschwister leiden zu sehen? Denkst du das? Denkst du ich hätte mir gewünscht, dass sich dieser scheiss Krebs in meinen Körper ausbreitet?", ich bebe vor Wut und stehe nun auch auf, um auf eine Augenhöhe mit ihm zu sein. Meine Stimme hat sich um die doppelte Lautstärke erhöht.

„Ich habe dich von Anfang an so geliebt wie du bist!", er zeigt mit dem Zeigefinger auf mich und wendet sich langsam von mir ab. „Du weisst nicht was Verlust bedeutet. Das begreifst du erst, wenn du jemanden verlierst, den du mehr als dich selbst liebst..."

Mein Herz scheint mir explodieren zu wollen. Seine Wörter stechen wie tausende Pfeile. Er läuft den Weg zurück, ich laufe ihm hinterher.

„Warte. Wohin gehst du?", meine Stimme zittert. Er läuft weiter. Sein Blick fest gerade aus gerichtet. „Warte, Arton warte!", mein Brustkorb zieht sich zusammen, die Luft wird knapp. Er dreht sich um. Sein Gesicht von Tränen überschwemmt, seine Lippen bebend. „Bitte geh nicht! Bitte! Bitte verlass mich nicht!", flehe ich ihn schluchzend an. Ich versuche ihn mit aller Kraft aufzuhalten, doch er stösst mich grob weg. „Fass mich nicht an!", warnt er mich. „Du hast mir nichts gesagt, nichts! Du wusstest, was ich für dich empfinde und dass ich durch die Hölle gehen würde für dich! Und du? Du hast mir monatelang deine Krankheit verschwiegen...". Eine Träne kullert über seine Wange. Ich habe ihn noch nie zuvor so aufgewühlt erlebt. „Wie hätte ich es dir sagen sollen?", frage ich verzweifelt. „Wie hätte ich dir sagen sollen, dass ich bald sterben werde?"

„Alle haben es gewusst! Alle ausser mir! Jeder und jede aus der Schule, aus dem Fussballverein. Menschen, die dich nicht mal kannten, aber bei mir konntest du dich nicht melden? Nicht ein einziges Mal? Eine kurze Nachricht hätte gereicht!"

„Das spielt keine Rolle und das weisst du!"

„Ich hätte mich zerstört, um dich zu heilen..."

Fati im ( Mein Schicksal )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt