Kapitel 42

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Es wird einige Sekunden still am anderen Ende des Apparats.

„Ja, wo und wann?"

„Heute, beim See. In etwa einer Stunde?", mein Körper bebt, ich schlucke.

„Ja, ich werde beim Eis Stand auf dich warten..."

„Okay, bis später..."

Wir legen beide auf. Ich halte mir das Handy an mein klopfendes Herz. Aylin kommt ins Zimmer rein, als hätte sie gewusst, dass ich sie brauche.

„Aylin, ich treffe mich in einer Stunde mit Arton...Kannst du mich bitte, etwas frisch machen?", ich fasse mir an meinen kahlen Kopf. Ich brauche etwas, eine Mütze, oder am besten eine Perücke.

„Warte hier, bin in fünfzehn Minuten wieder da."

Aufgeregt laufe ich im Zimmer rauf und runter. In der Hoffnung, mein Adrenalin Spiegel senkt sich wieder. Ich bin aufgeregt. Was wird er wohl sagen, wie wird er auf die fast Haarlose-Mirjeta reagieren? Ich setzte mich aufs Bett, meine Beine fühlen sich an wie Wackelpudding. Meine Hände zittern. Wie konnte es nur soweit kommen?

Die Tür geht auf, Aylin erscheint mit neuen Klamotten und einer braunen Perücke. Sie ähnelt meinen Haaren, nur dass sie perfekt ist. So schöne gewellte Haare wollte ich immer.

„Du bist nicht die erste Krebspatientin, die sich mit ihrem Freund treffen und dabei gut ausschauen möchte. Wir haben die Wünsche der Patienten erfüllt." Sie hebt die Perücke in die Höhe. Ich lache. Ich mag Aylin, ich mag sie wirklich sehr.

Nach etwa zwanzig Minuten schminken, setzt Aylin mir als Krönung die Haare auf. Ich fühle mich wieder vollkommen. Ein gutes Gefühl breitet sich in meinem Körper aus und der Blick in den Spiegel stärkt wieder mein Selbstbewusstsein. Sie hat mich sehr dezent geschminkt. Ein wenig Liedschatten, Wimpern und ein leichter, hellrosaroter Lippenstift.

Ich verabschiede mich noch von meiner Lieblingskrankenschwester. Sie sagte mir, dass Herr Hader denke, ich würde meine Familie besuchen. Er ist einverstanden, jedoch darf ich nicht länger als zwei Stunden abwesend sein.

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Mein Blick schweift über die Stadt Zürich. Meine Nervosität steigt von Station zu Station. Ich versuche mich auf das Lied zu konzentrieren.

„Bellevueplatz"

Ich stehe auf und steige aus dem Tram. Erneut überfällt mich die Nervosität. Ganz ehrlich? Ich habe ihn vermisst, ich habe seine Stimme vermisst, seine Augen, sein Lachen. Ich habe ihn als Person vermisst. Ich wollte ihn niemals enttäuschen. Ich wollte ihn nicht verlieren.

Mit langsamen Schritten laufe ich zum Eis Stand. Heute ist der Platz so gut wie leer. Liegt vielleicht daran, dass es am Bahnhof eine riesen Veranstaltung gibt. Umso besser für uns. Die Sonne geht unter und eine leichte Brise, kitzelt meine Haut. Langsam atme ich die frische Luft ein. Fühle mich frei. Nicht mehr gefangen, in diesem nach Desinfektion riechenden Krankenhaus.

Ich versuche den Moment, Arton nach knapp einen Monaten wieder zu sehen, so weit wie möglich in die Länge zu zögern. Ich schaue auf mich runter. Aylin hat wirklich Style. Die weinroten New Balance und die Jeans passen schön zu dem federleichten, weissen T-Shirt. Es sieht sportlich-elegant aus. Wo hat sie bloss diese Kleider her? Vielleicht sind es ihre eigenen.

Am Eis Stand sehe ich Arton, er wirkt nervös, genauso wie ich. Sein Blick trifft meinen. Er läuft mit schnellen Schritten auf mich zu und wir umarmen uns. Mein Herz rast, ich fühle mich beschützt. Mein Körper schmiegt sich an seinem. Da stehen wir nun, ohne was zu sagen. Er hält mich in seinen Armen und vergräbt das Gesicht in meinen Hals. Wir geniessen die Nähe die wir, oder die ich, brauche.

„Ich habe dich vermisst...", flüstere ich ihm ins Ohr. Er lässt mich los und schaut mich mit glasigen Augen an.

„Ich habe mir solche Sorgen um dich gemacht...", verärgert beisst er sich in seine geballte Hand. Seine Augen sind rot unterlaufen. Er nimmt meine Hand. „Lass uns an einen Platz gehen." Ich folge ihm.

Nichts ahnend, dass das was kommt, mir jegliche Hoffnung auf Leben wegnimmt.

Fati im ( Mein Schicksal )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt