Kapitel 2

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Ich flüchte, renne weg - In die Unendlichkeit, in die dunkle Unendlichkeit. Ich weiss nicht, wieso ich renne. Ich mache es einfach. Die Strassen sind nass und es regnet in Strömen. Die Laternen, die fast schon erbärmlich versuchen die Gegend zu beleuchten, flackern. Es stürmt, donnert und blitzt. Ich befinde mich auf einer Landstrasse inmitten eines dunklen Waldes- Mutterseelen alleine und...nackt! Ein kalter Schauer läuft mir den Rücken runter. Was passiert hier gerade? Ich schaue umher, suche nach einem Unterschlupf. Irgendwas, wo ich sicher bin. Meine Füsse tun mir vom kalten und nassen Asphalt weh, mein Herz pocht und scheint mir jederzeit aus dem Brustkorb springen zu wollen. Schmerz durchfährt meinen ganzen Körper. Meine Panik steigt von Sekunde zu Sekunde.

Ich nehme rennende Schritte einer Gestalt hinter mir wahr. „Mirjeta, es gibt kein Entkommen!", ruft eine tiefe, unheimliche Stimme. Nun bricht endgültig die Todesangst in mir aus. Ich versuche wieder an Tempo zu gewinnen. Meine Schritte hallen im dunklen des Waldes wider. Platsch, platsch, platsch... 

„Du wirst sterben Mirjeta!" Ich fange lauthals an zu schluchzen, meine Luftröhre brennt und schreit nach einer Erholungspause. Woher kennt diese Gestalt meinen Namen? Wo um Gottes Willen bin ich hier gelandet? Ich versuche mich zu beherrschen, die Angst unter Kontrolle zu bekommen und mich zu orientieren. Die Schritte kommen näher und werden immer lauter. Schritte, welche den Boden zum wackeln bringen. Mein Brustkorb zieht sich zusammen und automatisch verlangsame ich meine Geschwindigkeit und stolpere über meine eigenen Beine auf den kalten, nassen und nach Teer stinkendem Boden. Beim Aufprall schürfe ich mir das Becken auf. Blut rinnt mir die Beine runter und hinterlässt eine warme, dunkelrote Spur, die sogleich vom Regnen verschmiert wird. Wie ein Stück Elend liege ich nun da, inmitten der Strasse, um mich tausende von Bäumen. Das Gesicht auf dem kalten und nassen Untergrund, die Hände über den kahlen Kopf und die Beine dicht am Körper angezogen, wie ein Fetus in der Gebärmutter. 

Es ist nur ein Traum, ein schrecklicher Albtraum. Tausend schreckliche Dinge schiessen mir durch den Kopf und doch kriege ich keinen einzigen klaren Gedanken zusammen. 

„Es ist nur ein Traum, es ist nur ein Traum...", ich wage einen Blick durch meine dürren Finger und sehe um mich herum die vielen Bäume die vom starken Wind verweht werden.

„Bitte Gott, Hilf mir! Bitte lass mich aufwachen..." Tränen laufen mir quälend langsam die Schläfen runter. Ich bin alleine. Mutter. Seelen. Allein.

„Mami? Hilf mir!", rufe ich durch meine Finger durch. „Papa wo bist du?", versuche ich es nochmals. Stille - Niemand scheint mich zu hören. Niemand ausser „das Monster", denn die Schritte kommen angerannt. Die Beben, welche diese verursachen sind bald im Einklang mit dem Schlag meines Herzens. Bum, Bum, Bum. Es wird nicht mehr lange gehen bis der Fremde mich aufspürt und...

Sich plötzlich zwei starke Arme um mich schlingen und mich langsam hochheben. Augenblicklich wird der düstere Himmel hell. Die dunklen Wolken verziehen sich und die Sonne strahlt in vollen Zügen. Sie blendet mich so sehr, dass ich Angst habe zu erblinden. Vögel tauchen auf, fliegen um uns und scheinen ein Lied zu zwitschern. Die einst so verlassene Strasse verblasst langsam und auf einmal befinden wir uns inmitten eines Feldes voller farbigen und schönen Blumen.

Nur wir zwei. Ein angenehmer Wind durchfährt sanft meinen Körper, welches in einem weissen, schönen, samtweichen Kleid eingehüllt ist. Meine langen braunen Haare kitzeln meinen Nacken. „Ich habe dir versprochen, dich niemals alleine zu lassen...!", flüstert er mir ins Ohr „Mirjeta..."

„Mirjeta...", die Stimme meiner Mutter holt mich brutal in die Realität zurück. Ich öffne vorsichtig die Augen und gucke geradeaus in das besorgte Gesicht meiner Mama. Sie hat gerötete Augen und scheint erleichtert, dass ich aufgewacht bin.

„Mami, wo bin ich?", frage ich mit trockenem Hals.

Fati im ( Mein Schicksal )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt