Kapitel 44

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Weinend gehe ich den Weg zum Krankenhaus zurück. Mehrere Menschen sprechen mich an, wollen mir helfen, doch wie? Wie kann man einem Mensch, das am Boden zerstört ist helfen? Ich lehne die Hilfe dankend ab, versuche meine Tränen zurück zu halten.

Zitternd vor Trauer laufe ich die Gänge zu meinem Zimmer rauf. Das soll es gewesen sein? Alles, für nichts? Bevor ich in mein Zimmer gehe, muss ich kurz zur Toilette. Ich blicke in den Spiegel. Meine Augen sind noch ein wenig rot vom Weinen. Die Schminke ist zwar ein wenig verschmiert, aber es sieht trotzdem in Ordnung aus. Ich schaue mich genau an. Ich habe abgenommen und meine Haut ist ganz trocken. Das erste was ich tun werde, ist sonnen. Ganz viel sonnen! Der Gedanke bringt mich automatisch zum lächeln.

Ich gehe aus der Toilette raus und laufe in mein Zimmer.

„ÜBERRASCHUNG!", ruft eine ganze Gruppe glücklicher Stimmen. Meine Eltern, Edon und Blendjona, Juljana, meine Mannschaft, Herr Hader, Aylin, auch meine Grosseltern!!! Viele Ballone hängen an den Zimmerwänden.

„3, 2, 1 rauf!", Meine Freundinnen halten ein riesen Plakat hoch.

„Mirjeta, du hast es geschafft!", steht da in Grossbuchstaben, geschmückt mit tausenden von kleinen Herzen. Alle klatschen in die Hände und jubeln. Ich hab es geschafft? Wie, ich hab es geschafft? Mein Herz schlägt vor Freude in die Höhe, ich fange an zu beben und Freudetränen steigen auf. Gerührt halte ich mir die Hände vors Gesicht.

Meine Eltern und Geschwister stürmen auf mich zu, weinend, lachend. Die Umarmung meiner Familie geht im wahrsten Sinne des Wortes bis tief in die Knochen. „Unsere Kämpferin! Wir wussten dass du siegen wirst!"

Meine Familie lässt mich von der Gruppenumarmung los. Edon gibt mir einen Kuss auf die Stirn „Meine Kriegerin!". Meine Grosseltern väterlicherseits umarmen mich kräftig. „Unser Mädchen, Gott sei Dank bist du nun geheilt. Es tut uns leid, dass wir dich nicht besucht haben, jedoch durften wir auch nicht." Die Augen meiner Grosseltern füllen sich mit Tränen und so wie es bei uns Albanern üblich ist, stecken sie mir beide je einen 100er-Schein in die Hosentasche. „Danke Grossmutter und Grossvater", ich umarme sie ganz fest.

Nun stürmen alle meine Freundinnen auf mich zu. Sie bilden einen Kreis um mich, hüpfen und singen unseren Siegessong.

„Hipp hier, hipp da, hipp hipp hurra, Mirjeta ist da!! Mirjeta siegt hier, Mirjeta siegt da, Mirjeta siegt überall! Alle für einen und eine für alle!!!"

Ich fühle mich voller Energie und fange voller Freude an zu weinen. „Danke euch!"

Herr Hader kommt zu mir. „Herzlichen Glückwunsch Mirjeta. Du hast den Krebs besiegt und darfst schon übermorgen nach Hause. Vorher müssen wir uns zwar zusammensetzen, aber das ist jetzt gerade eine Nebensache. Es ist nicht ganz vorbei, aber das Schlimmste hast du bekämpft. Du kannst stolz auf dich sein." Er hält mir die Hand hin, aufgeregt ergreife sie und muss dabei an Arton denken.

Bei den Gedanken an ihn, wird mir sofort wieder mulmig, jedoch vergeht das schnell als Aylin einen riesigen Kuchen hervorholt. Sie überreicht mir, wie allen anderen, lächelnd ein Glas Rimus und hält das Glas hoch.

„Auf Mirjeta! Auf ihre Stärke, auf das, dass sie nie aufgegeben hat – Prost!"

Wir stossen alle gemeinsam an. Die Atmosphäre ist atemberaubend. Überwältigt von der Situation strahle ich wie eine Sonne. Die Gesichter meiner Familie, meiner Freunde und meins strahlen. Ich kann es gar nicht glauben. Ich, Mirjeta Bajrami, habe es geschafft! Ich werde leben! Ich werde meine Ausbildung fertig machen können, reisen, spielen, lachen, leben! Ich habe es geschafft.

Die Zimmertür geht laut auf. Wir drehen uns alle erschrocken um. Kommt sonst noch wer? Ein Arzt ruft aufgelöst Doktor Hader zu sich. Perplex verabschiedet er sich knapp von uns und stürmt gemeinsam mit dem anderen Arzt aus dem Zimmer.

„Muss wohl ein Notfall sein", sagt Aylin ruhig.

Wir stimmen ihr alle zu und lassen den Abend gemeinsam ausklingen.

Fati im ( Mein Schicksal )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt