Nun liege ich hier. Alleine. Es ist bald fünf Uhr morgens und draussen ist es stockdunkel. Irgendwie spiegelt diese Dunkelheit mein Inneres wider. Dunkel und Leer. Verlassen und Einsam.
Ich wurde in ein anderes Krankenzimmer als zuvor verlegt. Von hier aus habe ich einen herrlichen Ausblick auf das Lichtermeer des naheliegenden Sees und den vielen Luxushäuser davor, aber was bringt mir diese atemberaubende Aussicht, wenn ich weiss, dass ich bald nicht mehr hier sein werde? Vielleicht haben die Krankenschwestern vor, meine letzten paar Monate oder paar Jahre, ich weiss es nicht, so schön wie möglich zu gestalten, aber ist das nicht vollkommen absurd? Ist es nicht vollkommen absurd, einem sterbenden Menschen zu zeigen, was man in naher Zukunft nicht mehr sehen oder erleben wird? Doktor Hader sagte meinen Eltern, dass ihn mein psychischer Zustand Sorgen bereitete.
Bei diesem Gedanken laufen mir Tränen das Gesicht hinunter. Eins wird mir nie vergehen. Diese verdammten Tränen. Ich habe das Gefühl Literweise davon zu besitzen. Ich grabe mein Gesicht in meine fröstelnden Hände und denke zurück an das, was geschehen ist.
Als der Krankenwagen gestern mit schrillenden Sirenen bei uns in der Nachbarschaft eingetroffen ist, wurde die ganze Nachbarschaft aufgeweckt und ich war der Grund dafür. Ich war der Grund dafür, dass die Leute nicht friedlich einschlafen konnten und Kinder und Babys aus ihrem Tiefschlaf gerissen wurden. Ich hatte die Menschen in Sorge versetzt und bei diesem Gedanken kam ich mir wie eine Attentäterin vor. Vielleicht übertreib ich in vollen Zügen, aber ich fühlte mich so. Ich fühlte mich, wie eine Terroristin und die Bombe war ich. Die tickende Zeitbombe die jederzeit explodieren würde.
Ein Arzt und vier Sanitäter sind rennend in unsere Wohnung und zu mir ins Zimmer gestürmt. Zwei Sanitäter redeten mit meinen Eltern und die anderen zwei bereiteten eine Liege vor, um mich in den Krankenwagen tragen zu können. Der Arzt gesellte sich zu mir und stellt mir ein paar Fragen. Was ich gemacht habe, wie ich mich fühlte und wo ich Schmerzen hatte. Immer die gleichen Fragen und immer dieselben Antworten; „Alles - Ich hab das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen", „Es fühlt sich so an, als ob jemand mir langsam ein rasierscharfes, kaltes Messer in die Brust rein rammt".
Ich dachte eigentlich Herr Hader würde kommen, aber das tat er nicht. Der Gedanke daran, dass ich in seinen Augen nur eine Patientin von vielen bin, welche ein trauriges Schicksal erleidet und er sich nur um mich kümmern muss, weil er Geld verdienen will, verletzt mich. Irgendwie hatte ich ja die Hoffnung, ich würde ihm am Herzen liegen. Aber er hat natürlich auch andere Patienten.
Als mich die Sanitäter auf der Liege nach draussen verfrachtet haben, standen Edon und Blendjona an der Türe. Edon's Augen waren rotunterlaufen. So kannte ich ihn gar nicht. So mitfühlend und am Boden zerstört. Er hatte seinen Blick fest auf mich gerichtet und schien mir irgendwas mitteilen zu wollen, aber ich hatte mir das wahrscheinlich nur eingebildet. So wie ich mir in letzter Zeit vieles einbilde. Zum Beispiel, bilde ich mir ein, dass alles nur ein schrecklicher Albtraum ist.
Blendjona hat zitternd auf den Boden geschaut. Normalerweise ist sie die stärkste von uns dreien, aber ich denke die ganze Sache geht auch ihr ziemlich nahe. Wie muss man sich fühlen, wenn man weiss, dass die grosse Schwester vielleicht nicht mehr hier sein wird?
Mit wem ausser mir, kann sie ihre Leiden und Sorgen teilen? Wer ausser mir, hilft ihr bei den Hausaufgaben? Beim auswählen eines Outfits? Wer wird sie loben und ihr sagen, dass sie wunderschön ist? Wie fühlt es sich an, zu wissen, dass du selbst gesund bist, aber deine andere Hälfte vielleicht die letzten Schritte ihres Lebens geht?
„Bitte Allah, gib allen die Kraft...", flüstere ich „Bitte gib allen die Kraft diese Krankheit mit mir zu überstehen...".
*BSSSS* Ich zucke zusammen. Mein Handy! Ich habe vollkommen vergessen, dass meine Eltern es mir eingepackt haben.
Ich nehme es hervor und schaue auf das blendende Display.
„Arton?", Was ruft er mich um diese Uhrzeit an???
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Fati im ( Mein Schicksal )
Romance„Bitte geh nicht! Bitte! Verlass mich nicht!" Flehe ich ihn schluchzend an. „Du hast mir nichts gesagt, nichts! Du wusstest, was ich für dich empfinde und dass ich durch die Hölle gehe für dich und du hast mir monatelang deine Krankheit verschwiegen...