Kapitel 54

4.4K 180 69
                                    

„Lass dir so viel Zeit, wie du brauchst", sagt mein Vater und drückt mir einen Kuss auf die Stirn.

Alleine stehe ich nun wie angewurzelt da und betrachte Arton's schmalen Grabstein. Analysiere jeden Buchstaben in der Hoffnung, dass es nicht mein Arton ist. Als suche ich einen Fehler. Als wäre alles ein schrecklicher Irrtum.

Viele verschiedene bunte, schöne Blumen schmücken sein Grab. Es beängstigt mich. Diese Blumen sollen nicht schön aussehen. Mein Freund liegt darunter. Sie dürfen nicht schön aussehen! „Ihr habt einen Menschen unter euch", sage ich leise. Meine Knie lassen urplötzlich nach und ich falle auf den harten Boden vor Arton's Grabstein, sofort schürfen sich meine Knie auf. Wie in Trance streiche ich über seine eingravierten Namen. Es fühlt sich kalt an. So kalt wie seine Hand, als er starb. Sein Gesicht erscheint vor meinem inneren Auge und für einen kurzen Moment glaube ich, ich hätte völlig den Verstand verloren. Eine warme Träne rinnt mir langsam die Wange runter und hinterlässt eine brennende Spur. So wie es Arton in meinem Herzen hinterlassen hat. Er hat mich mit Liebe erfüllt. Mir Kraft und Hoffnung geschenkt, mir meinen Lebenswillen zurückgegeben, um mir dann alles auf einen Schlag wieder zu nehmen.

Ich nehme die Erde in meine Hand und lasse sie wieder durch meine Finger auf das Grab herunterfallen. Wie eine Welle stürzt die Gewissheit nun endgültig auf mich ein. Arton liegt hier. Unter dieser kalten Erde. Alleine in der Dunkelheit. Jählings fange ich verzweifelt an los zu schreien, zu weinen, zu trauern. Ich lasse meinen Tränen freien Lauf. Weine alles raus, was ich schon seit Ewigkeiten wie eine Last in mir trage. Diese verdammte Krankheit, welche ich Tagtäglich wie eine Last in mir getragen habe. Meine ständigen Albträume, die mich jedes Mal heimsuchten, diese ständige Angst vor dem Sterben, das Leiden meiner Familie, den Verlust meines Freundes. Ich halte mir die Hand vor dem Mund, um die Schluchzer abzudämpfen, aber kann es nicht. „Pse shkove? (wieso bist du gegangen?)", schreie ich den Himmel empor und haue verzweifelt auf den Boden, worauf auch meine Hände aufschürfen."Wieso hast du mich alleine gelassen? Du hast gesagt, du lässt mich nicht alleine!", Ich schlage verzweifelt auf seinen Grabstein. „Du hast es mir versprochen!", Ich schlinge die Arme um meinen Körper und wippe hin und her. Den Kopf an die Knien angelehnt. Meine Tränen strömen über meine glühenden Wangen. Mein Herz zieht sich abermals zusammen und durch das ständige Schluchzen kriege ich kaum noch Luft. Noch nie habe ich mich so schrecklich gefühlt, nicht mal, als ich meine Diagnose erfahren habe.

„Du hast mir gesagt, ich werde dich immer an meiner Seite haben! Du hast es versprochen!", „Du hast es mir versprochen...du hast doch versprochen..." Immer wieder wiederhole ich den Satz und schaufle mit der Hand die Erde hoch, um sie wieder fallen zu lassen.

„Du hättest nicht gehen sollen, als wir uns getroffen habe. Du hättest mir verzeihen sollen und bei mir bleiben müssen...Es ist meine Schuld..." Ich hätte ihm von Anfang an die Wahrheit erzählen müssen. Ihm sagen sollen, dass ich krank bin, er wäre geblieben. Er hätte mich nicht alleine gelassen.

„Es tut mir leid Arton. Es tut mir so schrecklich leid. Ich weiss nicht, was ich nun ohne dich machen soll. Ich weiss nicht, was ich überhaupt machen soll...Es tut mir leid, dass das alles passiert ist... ich habe dich geliebt. Ich habe dich mehr als geliebt. Ich habe mich mit dir verbunden gefühlt, mich verstanden und geliebt gefühlt. Ich weiss, es hört sich absurd an, vielleicht ist es das auch? Wir kannten uns kaum, das ist mir bewusst. Wir haben und auch nur wenige Male gesehen, aber es hat gereicht. Es hat gereicht, um zu wissen, dass du mir gut tust. Und jetzt? Was tut mir jetzt gut Arton? Jetzt, wo du weg bist?", meine Tränen hören nicht auf, wie ein Wasserfall tropfen sie auf den harten, kalten Boden. Verschleiern meinen Blick. Meine Vision ohne dich, Arton.

„Ich werde dich immer lieben. Du warst meine erste Liebe und die erste Liebe vergisst man nie. Du warst mein Engel, du bist mein Engel. Ich hoffe du passt von oben auf mich auf...", meine Lippen zittern und ich schüttle frustrierend den Kopf. „Das kann doch nicht wahr sein!", mein Herz zieht sich vor Schmerzen zusammen. „Weisst du, als ich dich das erste Mal sah...Ich wusste schon damals, dass du was Besonderes bist. Du hattest etwas an dir, was ich nicht mit Worten beschreiben konnte...", ich rapple mich zitternd auf und wische mir mit meinen Händen die Tränen weg.

„Hallo? A muj me te nimu (Kann ich dir irgendwie helfen?)", eine unbekannte, tiefe Stimme schreckt mich auf. Ich drehe mich um und schaue direkt in zwei Haselnussbraunen Augen. Ein Typ meines Alters schaut mich besorgt an. Er hat dunkle Haare und eine leicht bräunliche Haut. Ist ein bisschen grösser als ich und hat eine muskulöse Statue. Vorsichtig lächelt er mich an. Ich erwidere sein Lachen knapp und fahre mir über meinen brennenden Augen, die vom Weinen angeschwollen sind.

„Nein...Ich gehe jetzt." Ich schaue auf meine blutverschmierten Knie runter und versuche langsam zu laufen. Als der Unbekannte sieht, dass mir schwindelig ist und ich nicht laufen kann, stützt er schnell mich mit seinem Arm.

„Soll ich dich begleiten?", fragt er unsicher und hält mich.

Als ich merke, dass ich es ohne ihn wirklich nicht bis zum Auto zurück schaffen würde, nicke ich langsam.

„Wie heisst du?", fragt er.
„Mirjeta."
„Schöner Name."
„Danke. Und deiner?"
„Besim."
„Auch ein schöner Name...", gebe ich lächelnd zurück. Er erwidert mein Lachen und ich halte kurz an und drehe mich noch einmal um.

„Ich liebe dich..."


-------------

Halli, hallo meine Lieben,

So - das war's mal für's Erste. Ich hoffe, euch hat meine Geschichte gefallen! Es hat mich jetzt ein Jahr gebraucht, um sie zu schreiben, aber es hat sich hoffentlich gelohnt.
Ich hoffe, dass auch ihr Gefallen an meiner Geschichte gefunden habt und möchte mich bei euch für die ständige Wartezeit entschuldigen. Ich werde sie demnächst bearbeiten, also lohnt es sich auf jeden Fall in einem halben Jahr mal wieder rein zu schauen.

Falls ihr auf dem Laufenden sein wollt, könnt ihr mich gerne abonnieren oder «folgen», sodass ihr nichts verpasst.

Ich wünsche euch allen schöne, erholsame Ferien! ❤️

Fühlt euch gedrückt.
Eure Arbenita

Fati im ( Mein Schicksal )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt