Kapitel 23

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„Ich werde den Regen in Kauf nehmen und dir den schönsten Regenbogen auf Erden zeigen"

Er gibt mir ein Küsschen auf die Wange und wendet seinen Blick wieder dem Sonnenuntergang. Ich fasse mir verträumt an die Stelle die nun kribbelt und schaue ihn verliebt an. Ich habe mich verliebt. Ich, Mirjeta Bajrami, habe mich verliebt. Kaum zu glauben. Juljana wird ausser sich sein vor Freude, wenn ich ihr das erzähle.

Ich schaue auf meine Uhr: 19:30. Scheisse! Um acht Uhr muss ich wieder zurück.

„Arton?", er schaut mich verträumt von der Seite an. Wahrscheinlich hat er sich gerade etwas gedacht, aber ich frage ihn nicht. „Ja, Liebes?", mein Herz lässt einen Schlag aus und ich fühle mich so wohl. So geborgen und sicher. Dieses Gefühl ist einfach nicht beschreibbar. Das muss man erlebt haben! „Ich muss langsam los. Ich muss um acht Uhr Zuhause sein...", ich nehme meine Tasche und stehe auf. Er tut es mir gleich und nimmt meine Hand wieder in seine. Wie ein Pärchen, denke ich mir.

Gemeinsam laufen wir zu der Tramhaltestelle, als ich gerade dabei bin mich von ihm zu verabschieden, schaut er mich belustigt an.

„Du glaubst nicht ernsthaft, dass ich dich alleine nach Hause gehen lasse?"

Mein Herz lässt einen Satz auf und ich erröte.

„Ehmm. Ich weiss nicht, ob das so..."

„Keine Widerrede! Ich muss, nein ich will, dich begleiten!"

Das geht nicht. Er kann mich nicht begleiten. Nicht zum Krankenhaus. Das geht nicht. Nicht heute! Nicht jetzt... „Arton, ich will nicht!", sage ich eine Ekstase zu barsch und er schaut mich verdattert an.

Mit dem hat er wohl nicht gerechnet. „Es ist einfach..." „Nein, schon gut. Kein Problem...", er fährt sich wie so oft heute wieder einmal an die Haare. Ich glaube dass das eine Angewohnheit ist von ihm, wenn er nervös ist. „Versteh mich nicht falsch, aber ich will jetzt einfach alleine sein und über alles nachdenken...Es verdauen", ich lächle ihn an und schaue auf unsere ineinander verschlungenen Hände. Schnell gebe ihm einen Kuss. Und da ist es wieder. Sein atemberaubendes, makelloses Lachen.

Ich steige in das Tram und setze mich auf ein freies Plätzchen hin. Wie in Zeitlumpe winke ich ihm noch vom Fenster zu. Er ist leicht errötet, wahrscheinlich von dem unerwarteten Kuss. Unsere Wege trennen sich nun von hier und ich höre bis ich das Krankenhaus erreiche wieder etwas Musik.

Als ich mein Krankenhauszimmer betrete sind meine Eltern da und ich erstarre. Was machen sie den hier?

„Mirjet, wo zum Teufel warst du und wieso sagst du uns nichts?", meine Mutter schreit mich an.

„Ich...Ich...", versuche ich zu erklären.

„Versteh uns nicht falsch Mirjet, aber wir machen uns unheimliche Sorgen um dich...", mein Vater schaut bedrückt seine Hände an. Sein Kopf ist hochrot, wie immer, wenn er sauer ist.

„Du kannst nicht irgendwo einfach hingehen, ohne uns Bescheid zu geben!"

„Ich habe Herr Hader Bescheid gegeben! Das sollte reichen. Früher hat es euch doch auch nie interessiert, wohin ich gehe und was ich mache. Wieso jetzt?", schreie ich zurück. Meine Stimme bebt, mein Körper zittert vor Wut und Tränen stauen sich in meinen Augen an.

„Da warst du auch noch nicht kra...!", ehe sie den Satz ausgesprochen hat, hält sie sich die Hand vor dem Mund. Die Augen meiner Mutter füllen sich mit Tränen. Sie wendet sich von uns ab und geht auf den Balkon.

Papa kommt mit offenen Armen auf mich zu. „Ich wollte euch keine Sorgen bereiten, ich dachte einfach ich könnte etwas Abstand und frische Luft gebrauchen, ich wusste nicht, dass ihr kommt...", ich weine in die Halsbeuge meines Vaters und er streichelt mir liebevoll über den Rücken.

„Schh..Schh Mirjeta. Alles ist gut. Du trägst keine Schuld nächstes Mal gibst du uns einfach Bescheid okay?", ich nicke und umarme meinen Vater ganz fest. Wie gut es tut, eine Schulter zu haben, an der man sich einfach ausheulen kann.

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Mein Handy vibriert. Das ist bestimmt Arton und tatsächlich als ich das Handy in die Hand nehme, erscheint auf dem Display sein Name.

„Hey.. Ich habe den Abend mit dir wirklich genossen. Wann sehen wir uns wieder?"

Vor dieser Frage habe ich mich gefürchtet. Wie soll ich mich mit ihm treffen? Bei der ersten Chemo geht das vielleicht noch, doch ab der zweiten kann ich meine Krankheit nicht mehr verstecken. Wird es überhaupt zur zweiten Chemo kommen? Was ist wenn die erste schon anschlägt?

„Ich weiss es noch nicht. Hoffentlich bald."

Da fällt mir noch gleich ein, dass ich vergessen habe ihn zu fragen wie er mit Nachnamen heisst. Ich schaue minutenlang auf seinen Status: „online". Soll ich ihn wirklich fragen? Nehmen wir mal an er ist es wirklich? Weiss er dann davon? Das dürfte er im Grunde gar nicht, denn Ärzte haben Schweigepflicht, aber was wenn schon?

Ich fange mit zitternden Fingern an zu tippen: „Arton? Wie heisst du eigentlich zum Nachnamen haha?"

Ich tippe auf seinen Namen, um zu sehen was für einen Status er hat. „Jetes time ti kuptim i dhe = Du hast meinem Leben einen Sinn gegeben", seit einer Stunde. Meint er mich damit? Bei diesem Gedanken wird mir ganz schlecht vor Freude.

Ich gehe wieder zurück auf unser Chat. Gelesen. Wieso schreibt er mir nicht? Mein Herzschlag nimmt wieder an Geschwindigkeit zu als sich das „online", in „schreibt...", umwandelt.

Fati im ( Mein Schicksal )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt