Kapitel 7

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Ich spiele mit dem Gedanken einfach abzuhauen. Ich weiss nicht wohin ich hier abhauen kann, aber ich will ihre Hand nicht ergreifen. Ich kann nicht. Ich habe Angst. Ich habe schreckliche Angst davor, dass sie mich irgendwo hinführt, wo ich nicht mehr rauskommen werde. „Hör auf dir Schwachsinn einzureden, das bist du selber! Das bist du! Du würdest dich selber nie in Gefahr bringen...", rede ich mir ein.  

„Mirjeta...", ihre zerbrechliche Stimme holt mich wieder ins hier und jetzt. Ich schaue vom Boden zu ihr hoch. Sie schaut mir tief in die Augen und lächelt mich an. Auffordern hält sie mir ihre Hand hin und ich kann nicht anders, als sie langsam zu ergreifen.

Mir stock der Atem als ich ihre Finger an meine spüre. Ihre Hand fühlt sich so sanft wie Federn an. Fast schon habe ich Angst, sie zu erdrücken.

Es fühlt sich komisch an, mich selbst zu halten.

„Schliesse deine Augen..."

Ich gehorche ihr.

„Mirjeta!", ein verzweifeltes Schreien lässt mein Herz zusammenziehen und ich reisse panisch meine Augen auf und Blicke gerade aus in die Gesichter mehrerer Menschen.

„Mirjeta, zemra babit (Papa's Herzchen)", mein Vater kommt weinend auf mich zu und umklammert meine Hand, währenddessen Mama mir heulend die Hand hält. War das ihre Hand im Traum?

Drei Ärzte kommen ins Zimmer rein gerannt und bitten alle rauzugehen. Unter ihnen entdecke ich auch meine Geschwister, welche Händchenhaltend dastehen und mit den Tränen kämpfen. 

„Bin ich tot?"

„Nein, du lebst noch!", der Doktor schaut mich eindringlich an.

Ich versuche mich aufzusetzen, doch der Schmerz im Brustkorb lässt es nicht zu, also bleibt mir nichts anderes übrig als einfach liegen zu bleiben. Der Kloss in meinem Hals wird schlagartig grösser und ich habe das Bedürfnis zu weinen. 

„Mirjeta, wie geht es dir?", fragt mich Herr Hader.

Die anderen zwei Ärzte gehen zusammen meine Krankenhausakte durch und flüstern wild durcheinander. Ich versuche einige Wörter herauszuhören, aber diese Begriffe verstehe ich einfach nicht.

Ich widme meine Aufmerksamkeit wieder dem Arzt und schaue ihn ausdruckslos an. „Schlecht...", sage ich wahrheitsgemäss, denn die Schmerzen nehmen jede gefühlte Minute zu.

Doktor Hader setzt sich zu mir ins Bett und nimmt meine Hand in seine. Furcht steigt in mir auf und ich ziehe meine Hand abrupt zurück. Das war eindeutig zu viel des Guten.

„Kann mir bitte jemand sagen, warum ich hier bin?", ich fange an los zu schluchzen. „Was habe ich?", ich weine mir die Seele aus dem Leib und mit jedem Schluchzer schmerzt meine Brust bis ins unerträglich, aber das ist Nichts im Vergleich zu meinem Inneren Schmerz. Denn ich will Klarheit und niemand scheint mir diese geben zu wollen.

„Ich will hier raus!", schreie ich.

„Ganz ruhig Mirjeta, es wird alles gut!", der Arzt streichelt mir über den Kopf und wischt meine Tränen aus dem Gesicht weg.

„Mirjeta...", Doktor Hader schaut mich an.

„Mirjeta, Mirjeta, Mirjeta. Ich kann meinen eigenen Namen nicht mehr hören! Was ist verdammt nochmal los?",

"Schau...", sagt er. Endlich bekomme ich Klarheit.

Er fängt an zu erzählen, was sie gestern für Untersuchungen durchgeführt haben, als sie mich Bewusstlos im Zimmer aufgefunden haben. Er erklärt mir alles ganz ruhig und sachlich und mustert jede einzelne Bewegung von mir, als scheint er wissen zu wollen, wie ich auf das ganze reagiere.

Nach einer längeren Schweigepause fährt er fort, um das Geheimnis zu lüften.

Fati im ( Mein Schicksal )Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt