VI - Jorian (3/7)

1 0 0
                                    

Als er kurz nach seinem ersten Besuch einen erneuten, unsystematischen Versuch unternommen hatte, sich in der Bibliothek zurechtzufinden, hatte er eine weitere, unangenehme Entdeckung gemacht: Es waren Maegri im Palast. Bisher hatte er sie nur ein einziges Mal aus der Entfernung durch ein Fenster der Bibliothek gesehen. Die Südseite des Bibliotheksflügels lag zu einem Garten hin. Jorian hatte am Fenster eine Pause gemacht und den Blick auf die vom Herbst golden gefärbten Blätter geworfen, als ihm drei Gestalten aufgefallen waren. Einer von ihnen war ein Junge gewesen, wohlhabend gekleidet und mit hellem Haar.

Der Prinz, hatte er gedacht, der Prinz von Ijaria.

Zwar hatte er den Prinzen zuvor niemals persönlich zu Gesicht bekommen, aber in Ijaria gab es viele Bilder von ihm. Dieser Junge war Prinz Aik, Sohn des Königs Agreon Rasgalian und zukünftiger Thronerbe.

Neben ihm hatte er die beiden Maegri gesehen, in weiten, schwarzen Gewändern und mit fast kahlen Schädeln. Sie unterrichteten den Prinzen und Jorian erkannte schnell, was sie ihm zeigten.

Jorian beobachtete den Prinzen dabei, wie dieser eine eher sportliche Bewegung nach vorn machte und die Hände in die Luft warf. Nicht unweit von ihm zerbarst eine mit Wasser gefüllte Karaffe und einer der Maegri legte ihm bestätigend die Hand auf den Rücken.

Sie unterwiesen ihn in der Kunst der Magie.

Wenn es noch Zweifel über die Identität des Jungen gegeben hatte, so waren sie spätestens jetzt zerstreut. Niemand, außer der Sohn des Königs, wurde einfach so in Magie unterrichtet, außer vielleicht ein Lehrling der Maegri selbst. Doch diese wurden nicht hier im Palast ausgebildet, sondern in ihrer sagenumwobenen Festung Kattungholm, die ein ganzes Stück südwestlich von Ijaria lag.

Die Anwesenheit der Maegri verunsicherte ihn, denn er fürchtete, sie könnten entdecken, dass auch er ein wenig Magie erlernt hatte, genau wie es bei Maegro Kallvas der Fall gewesen war. Gleiches galt für den Prinzen, der mit Leichtigkeit über mehrere Meter ein Gefäß zerspringen lassen konnte. Im Gegensatz zu Jorian schien er keineswegs erschöpft zu sein, was Jorian nicht verwunderte. Wenn der König tatsächlich die Macht besaß, die man ihm nachsagte, dann würde sicher auch Prinz Aik diese Macht besitzen.

Weder die Maegri, noch Prinz Aik bewegten sich jedoch in den Bereichen des Palastes, die Jorian aufsuchte und er war froh, sie nach der beobachteten Übungsstunde im Garten nicht wieder gesehen zu haben.


Der Untergang Ijarias I - Die Schatten erheben sichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt