XI - Jorian (2/3)

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Als sich jetzt die Tür geöffnet hatte und Jorian mit wackeligen Beinen hinaustrat, erwartete er eine weitere sinnlose Befragung, doch gleichzeitig war er froh, seiner Zelle zumindest für kurze Zeit zu entkommen.

Der Wächter brachte ihn jedoch zu seiner Überraschung nicht zu dem Zimmer, in welchem er bisher befragt worden war, sondern hin zur Treppe, die hinauf ins Tageslicht führte. Als sie die Treppe und oben die letzte schwere Tür hinter sich gelassen hatten, musste Jorian blinzeln. Ihm wurde schwindelig, als er zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit wieder das Licht der Sonne durch einen Gang mit Fenstern fallen sah.

»Hier entlang«, sagte der Wächter und führte ihn weiter, vorbei an den Fenstern und zu einer weiteren Tür aus Holz, die er für Jorian öffnete. Er trat beiseite und wies Jorian mit der Hand an, einzutreten.

In der Mitte des Zimmers stand ein Tisch. Hinter dem Tisch saß eine dickliche Frau mit grauen Haaren, die sie zu einem Knoten auf dem Hinterkopf zusammengebunden hatte. Auf dem Tisch standen eine Schale mit Obst und eine Karaffe mit Wasser. Dahinter sah Jorian ein kleines Holzkästchen. Jorian sah sich fragend um und als niemand etwas sagte, trat er vor bis zum Tisch. Die Frau erhob sich und neigte den Kopf zur Begrüßung.

»Du bist Jorian, nicht wahr?«

Jorian nickte. Die Frau wies mit der Hand auf einen Stuhl. »Setz dich, wenn du magst. Und iss und trink etwas.«

Jorian tat, wie ihm geheißen, und setzte sich. Nur zögerlich nahm er aus der Schale Obst eine Birne und biss hinein. Sie schmeckte süß und gut.

»Weißt du, wer ich bin?«, fragte die Frau, die ihn beobachtete, wie er aß. Doch bevor er antworten konnte, tat sie es selbst: »Vermutlich nicht. Man kann zwar Mitglied des königlichen Rates sein, aber erwarten, dass die einfachen Leute wissen, wer man ist, scheint wohl zu viel verlangt.« Sie unterbrach sich für einen Seufzer. »Ich bin Laeda Jino Finegan, Mitglied des ehrwürdigen königlichen Rates von Ijaria.«

Jorian sah sie an. Erst langsam kehrte klares Bewusstsein in seinen Kopf zurück und sammelte sich zu Gedanken. Er verbeugte sich.

»Wieso«, begann Jorian, und seine Stimme war kratzig und leise, »holt Ihr mich aus meiner Zelle?«

Die Frau setzte sich wieder auf den Platz ihm gegenüber.

»Wie es scheint, hättest du dort von Anfang an gar nicht hineingehört, und ich bin hier, um mich dafür in aller Demut zu entschuldigen.«

Sitzend verbeugte sie sich vor Jorian. Jorian konnte nicht anders, als sie verwundert anzustarren. Laeda Finegan musterte ihn und wies auf das Obst zwischen ihnen.

»Hier, nimm dir ein paar Trauben, sie schmecken herrlich!«

Jorian war so perplex, dass er einfach tat, was sie sagte. Tatsächlich hatte sie Recht.

»Es wird dich sicher freuen zu hören, dass Prinz Aik wohlbehalten zurückgekehrt ist. Er konnte deine Aussagen bestätigen und hat zugleich ein gutes Wort für dich eingelegt, sodass deine Freilassung unverzüglich angeordnet wurde.«

Jorian ließ die Hände mit den Trauben darin auf die Tischplatte fallen. »Prinz Aik ist zurück?«, fragte er mit immer noch schwacher Stimme.

Die Frau nickte lächelnd.

»So ist es. Es geht ihm gut, und wie ich schon sagte, er hat deine Geschichte bestätigt und du bist kein Gefangener mehr. Er übersendet seine besten Grüße und entschuldigt sich bei dir für die Unannehmlichkeiten, die dir entstanden sind.«

Jorian sah die Frau an und er spürte, wie neue Kraft in ihn zurückkehrte.

»Ich bin frei?«, fragte er.

Der Untergang Ijarias I - Die Schatten erheben sichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt