VIII - Elno (4/4)

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»Elno.«

Als Elno seinen Namen hörte, dachte er im ersten Moment, Piules hätte ihn gerufen und er schlug die Augen auf.

Es war nicht Piules. Die Stimme hatte sanft und eindringlich zugleich geklungen und nichts davon traf auf Piules zu.

Um ihn herum war es dunkel, aber trotzdem merkte er sofort, dass er nicht in seinem Bett lag. Irritiert griff er nach Decke und Matratze, doch seine Hände berührten kalten, glatten Steinboden.

Wo bin ich, dachte Elno.

Vorsichtig richtete er sich auf. War er aus dem Bett gefallen? Seine Hände griffen suchend zu beiden Seiten. Da war kein Bett. Er lauschte in die Dunkelheit, aber es war still. Kein Atemgeräusch, kein Schnarchen und kein leises Flüstern, wie es in ihrem Schlafsaal gewöhnlich zu hören war.

Träumte er?

Nein, dachte Elno, ich schlafe nicht. Seine Gedanken waren glasklar und auch wenn die Schwärze und der Steinboden unter ihm ihn verwirrten, so waren sie doch viel zu echt, als dass sie zu einem Traum gehören konnten. Er stand auf und horchte einen Moment in sich hinein. Zu seiner eigenen Überraschung stellte er fest, dass er sich gut fühlte, besser als sonst. Er hob seine Hände vor das Gesicht, ballte sie zu Fäusten und öffnete sie wieder. Ein Gefühl von unbekannter Kraft durchfloss ihn und auch wenn er sie nicht sehen konnte, betrachtete er voller Verwunderung weiter seine Hände.

»Elno.«

Elno wandte den Kopf in die Richtung, aus welcher er die Stimme hatte rufen hören. Dann sah er in einiger Entfernung einen schwachen Lichtschimmer. Ohne nachzudenken, ging er darauf zu. Er hörte seine Schritte von weit entfernten Wänden widerhallen und während er ging, schien ihm das Licht heller und heller zu werden, bis er schemenhaft seine Umgebung erkennen konnte. Indes gab es wenig zu sehen. Links und rechts verlor sich der Raum weiter in Dunkelheit und außer dem Boden, der aus großen, glatten Steinen gelegt war, gab es nichts. Als er sich der Lichtquelle weiter genähert hatte, sah er, dass sich vor ihm eine Art Gang befand. Er betrat den Gang, der nach wenigen Schritten eine weitere Biegung machte und dann wie ein Rundgang gekrümmt weiterführte. Elno dachte schon, er müsse bald einmal im Kreis gelaufen sein, als der Gang nach links abbog und sich kurz hinter dem Knick in eine weitere, riesige Halle öffnete. Hier in der Halle war auch die Quelle des Lichtes, welches aus den Wänden zu leuchten schien.

Der Raum war kreisrund und in seiner Mitte befand sich ein Teich, in dem sich Sternenlicht spiegelte. Elno blickte nach oben und sah weit oben eine Öffnung, durch die der Nachthimmel zu sehen war. Am Rande der Öffnung kroch feiner Nebel in die Halle, um dann wie ein Wasserfall aus dünnem Rauch an den Wänden herabzulaufen. Dort, wo er den Boden erreichte, wallte er auf, um sich dann in die Mitte der Halle hin zu verflüchtigen.

»Hallo Elno«, sagte die Stimme, die er zuvor gehört hatte. Sie war jetzt klar und es klang, als würden in ihrem Hintergrund Glöckchen erklingen. Mit einem Mal rauschte ein Wind in seinen Ohren und Kleider und Haar wurden zerzaust. Elno drehte sich, um zu schauen, woher der Wind kam, ohne etwas zu entdecken. Jedoch konnte er den Wind durch die Halle verfolgen, an seinem anschwellenden Brausen und daran, wie er an den Wänden den Nebel in Unruhe brachte und mit sich riss. Elno hatte das Gefühl, Formen zu erkennen. Dann begann sich der aufgewirbelte Nebel langsam zu verdichten. Ein weiteres Mal zog der Nebel über Elno hinweg. Jetzt wurden die Formen deutlicher und mit einem Mal wurde aus dem fließenden Nebel eine feste Form. Zu seiner Überraschung blieb Elno ganz ruhig, auch wenn das, was er sah und erlebte, ihn sonst wohl völlig verängstigt hätte.

Vor ihm saß ein Drache.

Er sah aus wie die Drachen, die Elno schon kannte, auch wenn er sehr viel größer war. Und noch etwas unterschied ihn von den anderen. Er hatte Flügel. Zwei riesige, weiße Flügel, die nun, da er gelandet war, eng an seinem Körper lagen. Sie waren nicht behaart, wie der Rest des Drachen, sondern wirkten ledrig und waren strahlend weiß.

Der Untergang Ijarias I - Die Schatten erheben sichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt