II - Elno (3/5)

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Die anderen Kinder waren aufgeregt und alle redeten durcheinander. Die älteren Kinder waren anscheinend schon einmal in der Stadt gewesen. Sie gaben zum Besten, was es alles zu sehen gab, und die Kleinen löcherten sie mit Fragen. Elno versuchte, so viel es ging aufzuschnappen, aber er konnte mit vielem, was er hörte, nichts anfangen. Als sie die ersten Häuser erreichten, trat Gaer vor die Gruppe und die Kinder blieben stehen.

»Ab jetzt keinen Unfug!«, sagte sie bestimmend. »Ihr bleibt alle in meiner Nähe.«

»Und in meiner«, sagte Keff, der neben sie getreten war. »Wenn ihr uns verliert, bleibt stehen, wo ihr seid, wir kommen zurück und holen euch. Lauft nicht weg und geht mit niemandem mit! Habt ihr verstanden?«

Die anderen Kinder nickten und auch Elno hätte fast genickt, bevor ihm einfiel, dass diese Ansprache wohl kaum ihm gegolten hatte.

Sie liefen weiter. Der Weg, den sie gekommen waren, wurde zu einer der Hauptstraßen der Stadt. Hier waren viele Menschen unterwegs und je weiter sie kamen, desto voller wurde es. Überall sah Elno bunte Fähnchen und Wimpel, die kreuz und quer über die Straße gespannt waren. An den Straßenecken standen Männer und Frauen in glänzenden Rüstungen und sie trugen Speere und Schwerter.

Auch am Rand der Straße gab es allerlei zu sehen. Es wurde Kleidung verkauft, Werkzeuge, Bücher und andere Dinge. Elno schaute staunend von rechts nach links und er musste aufpassen, dass er nicht den Anschluss an die anderen verlor.

An einem der Läden blieben sie stehen. Es roch herrlich süß, als die Tür aufging und drei Kinder herauskamen, die alle eine Tüte in der Hand hielten.

Gaer holte ihre Tasche vom Rücken und zog einen kleinen Beutel hervor. Sie griff hinein und gab jedem der anderen Kinder eine rotbraune Münze. Als alle eine Münze bekommen hatten, stürmten sie in den Laden und Elno blieb draußen stehen. Einer nach dem anderen kam wieder aus dem Laden heraus und alle hatten sie eine kleine Tüte in der Hand. Jula, die als erste aus dem Laden gekommen war, hielt Elno ihre Tüte hin. Elno zögerte, dann schaute er hinein. Er sah etwas wie kleine Brote, doch sie rochen süß und sehr fruchtig.

»Honinchen!«, sagte Jula. »Nimm!«

Elno griff in die Tüte und nahm sich ein Honinchen heraus. Noch nie hatte er etwas Ähnliches gegessen. Es war aus weichem und luftigem Teig und schmeckte nach süßen Beeren und Honig. Jula beobachtete ihn erwartungsvoll. Als er das Honinchen aufgegessen hatte, schaute sie Elno so gespannt an, dass er sich gezwungen sah, etwas zu sagen.

»Gut!«, stieß er hervor. Jula lachte und aß nun ihrerseits ein Honinchen. Sie steckte es sich ganz in den Mund und machte ein langes »Mmmmm!«.

Ein angenehmes, warmes Gefühl machte sich in Elno breit, doch mit ihm kam auch eine Erinnerung zurück. Eine Erinnerung an Nela. Er versuchte den Gedanken zu verdrängen, doch gelang es ihm nicht ganz.

Als alle wieder aus dem Geschäft herausgekommen waren, schlenderten sie weiter die Straße hinunter. Schließlich sahen sie eine große Steinbrücke vor sich und als sie dort angekommen waren, öffnete sich der Blick auf einen breiten Fluss, der unter der Brücke hindurchfloss. Sie blieben eine Weile oben stehen und schauten auf das Wasser.

»Was ist das?«, fragte Per. Er hatte den Blick vom Wasser abgewandt und deutete mit seiner kleinen Hand den Fluss hinunter. Dort sah man hinter einigen Häusern einen großen Turm, der auf einem Hügel lag. Ganz oben an der Turmspitze waren Zinnen und dahinter stand ein Mann, der mal zu der einen Seite und mal zu der anderen Seite ging. Der Turm hatte ein paar kleine Fenster, doch hauptsächlich waren schmale Schachte in die Mauer eingelassen. Die Steine, aus denen er gebaut war, waren ganz weiß und strahlten über die Entfernung und trotz des wolkenverhangenen Himmels zu ihnen herüber. Hinter dem Mann wehte eine weiße Fahne, auf der zwar klein, aber dennoch gut erkennbar ein Zeichen zu sehen war. Es war ein Schwert, welches von oben kommend durch eine Schneeflocke gestoßen war.

Der Untergang Ijarias I - Die Schatten erheben sichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt