VIII - Vinja (2/4)

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»Wir haben es gut getroffen!«

Ekkel warf einen zufriedenen Blick in die Runde. Sie saßen zusammen auf einem Wagen, der sie über die südliche Himmelsstraße hinaus aus der Stadt gebracht hatte. Es dämmerte bereits und in der Ferne wurde die riesige Statue Lurion Sternenrufers sichtbar. Vinja erinnerte sich gut daran, wie sie sie zum ersten Mal erblickt hatte, als sie mit ihren Eltern nach Ijaria gekommen war. Es kam ihr vor, als wäre es eine Ewigkeit her. Sie erinnerte sich auch an die jungen Soldaten, die um die Statue herum gesessen hatten. Für die Nacht würden nun sie und die anderen genau diesen Posten einnehmen.

»Ich weiß nicht.« Mieka, ein kräftiges Mädchen in Vinjas Alter, hatte sich an das Wagengeländer gelehnt und blickte missmutig in die Ödnis, die sich abseits der Straße um sie erstreckte. Vinja gab ihr recht. Im Sommer mochte es vielleicht wirklich besser sein, hier draußen zu übernachten als in der stickigen Kaserne, aber jetzt wurde es langsam Winter.

»Ich kann mir auch besseres vorstellen, als die Nacht am Fuße einer alten Steinfigur zu sitzen.«

Das war Uwag. Ein Junge, dessen Eltern wie Vinja aus dem Süden des Reiches gekommen waren, und mit dem sie sich besser verstand, als mit den anderen. Ekkel schnaubte ungehalten.

»Steinfigur!«, sagte er, »Lurion Sternenrufer war Getreuer und Hofzauberer König Grimbardt Rasgalians. Wir ehren ihn als Vorbild.«

»Aber wieso eigentlich?«, Mieka blickte zu Ekkel. »Er war Zauberer und wenn mich nicht alles täuscht, hat der König die Ausübung von Magie verboten!«

»Nicht alle Magie«, antwortete Ekkel. »Denk an seine Maegri.«

»Die Totenzauberer«, entgegnete Mieka und schüttelte sich dabei, »von denen man nicht gerade schöne Dinge hört.«

Ekkel machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Glaub nicht alles, was die Leute so reden.«

»Und der Kampf am großen Wald«, mischte sich Darna ein. Darna war die jüngste von ihnen. Sie kam aus einer Adelsfamilie, deren Name Vinja entfallen war. Vinja hatte gehört, dass ihre Eltern sie in die Armee eingekauft hätten, wie es im Adel wohl oft der Fall war. Sie war im Kämpfen schlecht und Vinja bezweifelte, dass sie jemals besonderes Geschick darin entwickeln würde.

»Es heißt, wir befinden uns im Krieg gegen Hexen!«

»Heißt es das?«, fragte Ekkel bemüht spöttisch. »Davon habe ich nichts gehört.«

»Mein Vater hat es mir erzählt. Es wurden Truppen verlagert.«

»Wir führen keinen Krieg.« Ekkel klang gereizt. »Die Truppen wurden verlagert, um die großen Fällungen zu schützen, das ist alles.«

»Wieso sollte man Fällungen schützen sollen? Wehren sich die Bäume jetzt?« Miekas Stimme war voller spöttischem Zweifel. Die anderen lachten.

Vinja verfolgte das Gespräch schweigend. Helgrin hatte ihr etwas über die Truppenverschiebung nach Südwesten erzählt, aber sie erinnerte sich nicht mehr richtig daran.

»Ruhe jetzt!«, herrschte Ekkel die anderen an. Er drehte sich um und nickte. »Wir sind da.«

Der Wagen kam zum Stehen und nachdem sie abgestiegen waren und ihre Sachen abgeladen hatten, ging es an die Wachablösung. Vinja beobachtete die militärische Etikette ohne jede Begeisterung. Es wäre ihr lieber gewesen, die anderen würden einfach auf den Wagen steigen und davonfahren, stattdessen wurden Gruß- und Abschiedsformeln und dazu noch die geläufigen Sprüche ausgetauscht. „Na, dann mal viel Spaß da draußen." „Zurück nach Hause zu euren Eltern." „Wenn ihr Angst habt, schlagt Alarm, wir kommen dann morgen und sammeln eure Reste auf." Es war Vinja unerklärlich, wie die anderen Gefallen daran finden konnten, immer wieder die gleichen Floskeln auszutauschen. Vielleicht aber gingen sie ihnen genauso auf die Nerven wie ihr und sie taten es nur, weil es alle so taten.

Der Untergang Ijarias I - Die Schatten erheben sichWo Geschichten leben. Entdecke jetzt