Familie

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Der Wind pfiff laut durch das vernebelte Fenster, und das Hämmern tausender Wasserkugeln erklang im trüben Raum. Der Hobbit, der noch immer Bäume vor seinem inneren Auge erblickte, hielt einen dampfenden Kräutertee in der Hand und war in eine warme Decke eingehüllt. Sie war golden und rot, gesponnen und mit spindelartigen Mustern besetzt.

Thorin hatte sie dem Halbling gegeben, kurz nachdem Bilbo die kerbige Wand des Erebors endlich berührt hatte. Nur wenige Worte hatten die beiden auf dem Weg zu Bilbos Zimmer ausgetauscht, ehe der Zwergenkönig ihm die Decke überreicht und erklärt hatte, dass er noch eine wichtige Besprechung habe, aber so bald wie möglich zurück sei. Dabei hatte Thorin noch einmal nach seiner Hand gegriffen, dessen Wärme dem durchgefrorenen Meisterdieb unentwegt im Gedächtnis blieb. So wie das Funkeln in seinen Augen, als sie einander endlich wieder gesehen hatten. Bilbos Herz hatte einen Satz gemacht, und er konnte vergessen, was von nun an wie ein Brocken auf seiner Seele lag: Die Vision.

So war das vertraute Zimmer erfüllt von einem Schatten besetzten Licht, und die feinen Strukturen der Wände erschienen verschwommen, als wäre selbst das Innere des Berges mit Nebel besetzt. Langsam schloss er beide Augen und atmete ein und wieder aus. Da vernahm er den hallenden Laut einer vertrauten Stimme:

»Darum kümmern wir uns schon. Du hast bereits genug mit deinen königlichen Pflichten zu tun. Außerdem siehst du müde aus. Für heute solltest du dich ausruhen.«

»Aber ich habe sie überwunden, die Krankheit. Mir fehlt es an nichts. Ihr habt schon viel zu viel getan.«

»Königliche Pflichten«, ging es durch den Kopf des Hobbits. Er ließ die schützende Decke ein wenig über die Schultern gleiten und richtete sich auf.

»Ich sorge mich nicht um die Krankheit, Thorin. Ich weiß, dass du der Aufgabe gewachsen bist. Doch du hast schon so viel durchgemacht. Wir wollen dir bloß helfen.« Stille zerschnitt die klare Luft. »Ein guter König wirst du sein. Ganz sicher der beste, den der Erebor je gesehen hat. Niemand hat mit so viel Mühe für seine Heimat gekämpft wie du.«

Das dumpfe Hallen ihrer klingenden Schuhe näherte sich langsam. Thorins Atem war schwer.

»Doch ist dem so?«, sprach er einatmend. »Bin ich ein König ohne des Königsjuwels? Des Arkensteins?«

Bilbos Herzschlag beschleunigte sich. Mit einem Satz berührten seine Füße den kalten Boden, und er richtete den Oberkörper auf.

»Natürlich bist du das! Es ist nicht das Gold in den Hallen, es sind nicht die Siege all unserer erbitterten Schlachten, nicht einmal das Herz des Berges. Du bist der rechtmäßige König! Du bist der Erbe Durins, der Sohn Thráins, doch viel wichtiger: Thorin Eichenschild. Wir alle würden dir Folge leisten, bis ans Ende von Mittelerde und weit darüber hinaus.«

Sanft ließ Bilbo die edle Decke von den Schultern gleiten und trat einen Schritt nach vorne. Kühles Licht fiel durch den schmalen Türspalt. Mit einem Knarren schob Bilbo die schwere Tür nach außen, was das Gespräch der beiden kurzzeitig in ein Schweigen führte. Am Ende des meterlangen Flures standen sie als verschwommene Silhouetten, während die Sonne hinter dem selten verstreuten Glas langsam von blassen Sternen abgelöst wurde.

»Ich ...«

Da fuhr Thorins Kopf zu Bilbo herum. Mit einem wissenden Nicken sowie einem kurzen: »Ich schätze, du wirst hier gebraucht. Bis später.« wandte Balin sich ab und stapfte in die Tiefe. Langsam wanderte Bilbos Hand aus der Tasche. In ihr befand sich das Relikt, von dem die beiden gerade gesprochen hatten. Keinen Zentimeter entfernt und doch verborgen.

Zuerst mit kleinen, doch immer größer werdenden Schritten näherte sich Thorin dem Hobbit. Bilbo stand noch immer wie angewachsen vor dem Eingang. So wenig Zeit hatten sie gehabt, seit seiner Abreise. Und noch ehe Bilbo einen klaren Gedanken zu fassen vermochte, trennte sie nur noch die leichte Luft des Berges; trafen sich ihre Blicke. Die Ernsthaftigkeit verwandelte sich augenblicklich in ein Lächeln.

A Second Chance | Bagginshield Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt