Teil der Mission

749 48 22
                                    

Helles Vogelgezwitscher drang durch das große, rechteckige, halb offene Fenster. Gleißendes, weißes Licht weckte Bilbo aus dem ruhigen Schlaf. Der Hobbit war ganz allein. Thorin musste in der Nacht wieder zu den anderen Zwergen gegangen sein. Schritte hallten durch den äußeren Flur. Noch ehe Bilbo zweimal blinzeln konnte, war die dunkelbraune, geschliffene Tür schon aufgesprungen. Gandalfs grauer Bart erschien im Rahmen.

»Du solltest aufbrechen, die Zwerge warten schon«, sprach der Zauberer eilig. Er hob beide grauen Brauen und atmete aus. Gandalf war froh, dass der Hobbit wieder gesund war.

»Warte auf mich! Ich komme ja schon!«, rief der Halbling. Endlich wagte Bilbo aufzustehen. Er ließ seine Füße den kalten Boden berühren und musste lächeln. Dieses Mal hatte er festen Halt. Dieses Mal würde er auf beiden Beinen hinausschreiten.

Leicht wackelig trat er von einem Fuß auf den anderen. Der breite, von großen, hölzernen Bögen gehaltene Flur wurde von einer frischen, süßen Brise beflügelt. Die steinernen, hölzernen, silbernen und goldenen Relikte alter Zeiten waren voller Anmut. Am Ende des majestätischen Ganges befand sich eine unauffällige Gestalt. Es war Kili.

»Schön, dass du wieder gesund bist. Wir haben uns schon Sorgen gemacht«, sagte der Zwerg lachend. Auch die anderen Zwerge traten hinter den Pfosten hervor. Voller Erleichterung begrüßten ihn Ori, Bofur und Balin. Der Hobbit freute sich sehr darüber. Nur Thorin fehlte.

»Wo ist Thorin?«, fragte Bilbo heiser.

»Er hatte noch etwas zu erledigen und meinte, er komme gleich nach«, erklärte Fili. Bilbo nahm seine Aussage an und folgte den anderen schließlich.

Sie gingen durch die weiten, traumhaft schönen Hallen der Elben. Erinnerungen erfüllten die heilige Stille. Schließlich hatten sie die Mauern der Elben hinter sich gelassen und waren kurz davor, den steilen Hügel hinauf zuschreiten; da erkannte Bilbo endlich die langen, rabenschwarzen Haare des Zwergenkönigs.

Ohne den Meisterdieb auch nur eines Blickes zu würdigen, ging er schnurstracks an ihm vorbei, bis er sich an der Spitze der Reihe befand.

»Kommt! Wir sollten uns beeilen. Die Elben dürfen unser Verschwinden nicht bemerken«, sprach der König, wieder sehr ernst und klar. Die Zwergenmenge folgte ihm zügig, auch Bilbo lief leicht gesenkt hinterher, am Ende der Reihe.

Es war für ihn schwieriger als gedacht, den Berg zu erklimmen. Auch Thorin warf zwischendurch seinen Blick auf ihn, um zu überprüfen, dass es dem Hobbit gut ging. Der König erkannte die Mühe, mit der Bilbo jeden Fuß vor den anderen setzte. Der Hobbit war vielleicht wieder gesund, doch noch immer geschwächt durch die Krankheit. Die Ponys hatten die Zwerge bei einer Flucht nach Bruchtal verloren, den Fußmarsch würde ihm also niemand ersparen.

Da gab der König sich selbst einen Ruck, drehte sich um die eigene Achse und ging zu dem kriechenden Halbling. Viele erstaunte Blicke folgten ihm.

»Stütz dich, wenn du Hilfe brauchst«, sprach der oft viel zu stolze König, so leise es ging.

»Es geht schon, führe die anderen an«, entgegnete Bilbo. Der Zwerg schüttelte den Kopf.

Thorin musste daran denken, dass es verrückt war, für den Meisterdieb seinen Stolz beiseite zu werfen. Manchmal glaubte er, sich selbst nicht wiederzuerkennen, wenn er bei ihm war; manchmal verwirrte es ihn. Und manchmal, auch wenn es absoluter Unsinn war, hatte er das Gefühl, diesen Halbling zu kennen. Die Vertrautheit, die er für ihn hegte, konnte schließlich nicht in ein paar Wochen entstanden sein, oder etwa doch?

Thorin erkannte die Blicke der anderen, als Bilbo den Arm um ihn legte, leicht zögerlich, aber keineswegs ängstlich. Gandalfs Mund stand offen. Balin musste lächeln und die anderen liefen schulterzuckend weiter. Gemeinsam marschierten sie den Berg hinauf, Stück für Stück und Schritt für Schritt. Sie hatten noch einen langen Weg vor sich, auf dem der Hobbit hoffentlich neue Kraft schöpfen würde.

A Second Chance | Bagginshield Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt