Sanfter Frühlingswind strich durch das halb geöffnete, runde Fenster. Dieser flog zu dem viereckigen Holztisch, hinab auf den von Staub bedeckten Holzboden und schließlich zu dem silbernen Gegenstand. Ein klingendes Fallgeräusch unterbrach das Schnarchen des Hobbits. Mit geschlossenen Augen wand er sich, wechselte auf die andere Seite und rückte die braune Decke zurecht.
Ein weiterer Windstoß brach pfeifend durch das Fenster. Dieser wirbelte seine Locken auf, kitzelte die Nasenspitze und Augen. Seine Augenlider regten sich. Ganz langsam bewegten sie sich in die Höhe. Zuerst strömten die Eindrücke aller Farben in seinen Geist, all die Möbel, welche den Raum schmückten. Erneut schloss er beide Augen. Öffnete den Mund ganz leicht und gab ein leises Schmatzen von sich.
Die stärkste aller Windböen raubte ein Stück der Decke. Sofort schlug Bilbo die Augen auf, starrte geradezu auf die braune Wand und kräuselte die Nase. Er setzte zuerst den rechten, dann den linken Fuß auf. Der Boden war angenehm warm. Seine Stirn hingegen pochte. Mit der rechten Hand fasste er sich an den Kopf. Dann streckte der gerade Erwachte beide Arme hoch in die Luft. Nur Stück für Stück gewöhnten sich die Augen an den Anblick der Höhle. An die weiche Matratze des Bettes, an die schützende Dunkelheit der Decke und die friedliche Stille des Auenlandes.
Leben kehrte in seinen Verstand zurück. Es war Bilbo, als habe er ewig geschlafen. Als wäre er aus einem tiefen Koma, einem hundertjährigen, traumlosen Schlaf erwacht.
»Welcher Tag ist heute?«, dachte der Halbling entsetzt. Zitternd wanderten seine Beine zu dem Kaminsims. Der Kalender zeigte November, im Jahre 2942. Der Hobbit rieb sich die Augen. Da fiel es ihm endlich wieder ein. Erst vor wenigen Tagen hatte Bilbo endlich die restlichen Möbel zurückerhalten.
Meine Güte, das hatte einen Aufstand gegeben, als er Lobelia Sackheim-Beutlin die Meinung gegeigt hatte! Nun lag die Höhle noch immer im Chaos. Sah so aus, als würde es in seinem Kopf nicht geordneter sein. Mehrmals rieb der Halbling sich über die Stirn, als dieser durch den runden Türspalt auf und ab wanderte. Die Nase kräuselte; durch das helle Fenster auf den Garten blickte. Wieder zur Küche sah. Und dann wieder auf den Garten. Bilbo schüttelte den Kopf.
Statt weiter über das seltsame Magengrummeln nachzudenken, setzte er einen Tee auf und nahm auf einem der hölzernen Stühle Platz. Dann erhaschte er den Gegenstand, welchen der Wind umgestoßen hatte. Mit gerunzelter Stirn stapfte er zu seiner Truhe, in welcher alle Andenken aufbewahrt wurden.
Daneben lag es: Das Schwert, Stich, ruhte auf dem Boden mit dem warmen Holzmuster. Mit großen Augen bewegten sich Bilbos Finger darauf zu, strichen über die glatte Oberfläche, wie über eine Kostbarkeit. Da fuhr ihm ein Stich durchs Herz.
Wie hatte er nur vergessen können? Trockenheit kroch seinen Hals hinab. Die Bilder wurden realer. Sein Blick wurde leer, die Augen starrten auf das Schwert.
Der einstige Abenteurer stapfte hinaus aus dem Schlafzimmer, öffnete die Tür und betrat den Garten. Der Duft der letzten Blumen hüllte ihn ein. Und doch suchten seine Augen unerbittlich die eine Stelle.
»Wo ist er denn bloß? Der Eichenbaum, den ich gepflanzt habe?« Wo zuvor noch der kleine Setzling gesprossen war, lag nun aufgetürmt frische Erde. Bilbo runzelte die Stirn.
»Was ist gestern bloß geschehen?« Vielleicht hatte einer der Nachbarn mal wieder eine lebhafte Feier organisiert. Obwohl der Hobbit sich gelobt hatte, nicht viel zu trinken, hatte er wohl etwas zu tief ins Glas geschaut. Das war auch die Erklärung dafür, wieso sein Gedächtnis verwirrt war.
Ja, das musste es sein!
Schulterzuckend machte er sich an die Arbeit. Bilbo rupfte Unkraut, goss die weiße Christrose sowie den gelben Schöterich und blickte zu der orangen Sonne, dessen Farben sich wild über den Himmel ergossen.
DU LIEST GERADE
A Second Chance | Bagginshield
FanficBilbo ist gemeinsam mit Frodo nach Valinor gereist, wo er seinen Ruhestand genießt oder es zumindest versucht. Als eines Tages schließlich eine Elbin auftaucht und ihm die Chance gibt, zurück in die Vergangenheit zu reisen und sein Schicksal zu verä...