Auf ewig während

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Wie ein Erdbeben wurde jede Faser des geräumigen Saals belebt. Unmengen an Lauten verdeckten jegliche Stille, welche für eine Ewigkeit sein erster Begleiter gewesen war. Die Intensität der Stimmung war soeben von einem Windhauch zu einem Wirbelsturm transformiert. Einem Wirbelsturm, der es vermochte, jegliche Ordnung, an welcher er so lange festzuhalten versucht hatte, vollkommen zu irritieren. An dessen Stelle trat eine Mischung aus Emotionen. Zuerst nannte Thorin sie Nervosität, Aufregung, schließlich Freude und Erleichterung. Doch nun wurde jeder dieser Begriffe nieder gerannt, zerstampft, mit jedem Aufschlag der ledernen Schuhe, welche der aufbrausenden Menge gehörten.

Seinem Volk. Der Grund, warum er sich selbst einen König nennen durfte. Das warme Licht der Fackeln, das dunkle Braun der Tische und Stühle, die eindrücklichen Gesichter der anderen und soeben auch seine eigenen Hände, verschwanden hinter einem faden Schleier, dessen Intensität von Sekunde zu Sekunde an Kraft gewann. Mit einem Mal war es, als würden seine Füße nicht im Inneren eines Berges, sondern auf einem in einen Sturm geratenen Schiff Halt suchen. Ehe seine Gedanken einen logischen Denkprozess durchlaufen konnten, hatte sein Mund ihm bereits jegliche Befähigung abgenommen.

»Fili!« Einige Augenblicke verstrichen, ehe sein Neffe verstand. »Ich weiß, es ist viel verlangt«, sprach der König mit taumelnder Stimme, »aber könntest du das Wort übernehmen? Für diesen Abend?« Die goldenen Augen von Thorins Gegenübers vergrößerten sich, stierten zu Boden und bewegten sich bei erneutem Blick schließlich zu einem Nicken.

»Aber natürlich, Onkel.« Erleichterung mischte sich mit bleierner Schuld. Thorins Schritte glichen jenen einer winzigen Maus. Als er das ovalförmige Tor beinahe erreicht hatte, schaute ihm das Gesicht seines alten Freundes bereits entgegen. Der Magen des Königs sank, als er erkannte, dass ihr heimlicher Begleiter offenbar verschwunden war. Bilbo musste sich fehl am Platz gefühlt haben. Ausgeschlossen. Ein kleiner Stich durchfuhr das Herz des Zwerges.

Während seines Auftritts hatte Thorin jegliche Gedanken an ihre Zweisamkeit verdrängt.

Dass ich dich liebe.

Nun war der Tumult in Thorins Kopf lauter als alle Stimmen des Erebors. Zugleich war ihm, als würde sein Herz von einer Leichtigkeit erfüllt, der jegliche Bezeichnung nicht gerecht werden vermochte. In einem Schnecken-ähnlichen Tempo erreichte der König das Ziel und als ihm die strahlenden Augen seines ältesten Gefährten entgegenblickten, wurden seine Beine ein wenig leichter.

»Thorin Eichenschild, König unter dem Berge.« Balins Blick war mit einem solchen Stolz - seine Augen mit einer solchen Freude erfüllt - dass sie dem König Kraft verliehen. »Das war eine wahrhaft fabelhafte Rede, die Rede eines wahren Königs. Ich kann gar nicht in Worte fassen, wie viel Glück mich erfüllt. Du, unser Anführer. Majestät.«

»Ich danke dir, Balin«, erwiderte Thorin knapp, aber liebevoll. Indessen wanderte sein Blick erneut durch den langen, dämmrigen Flur. Dieser war leer.

Beschwingt fuhr Balin fort: »Es wird Feste geben, Feste für dich, Thorin, genau wie damals. Erinnerst du dich? Wir haben schon einige Feiern erlebt, doch die Feiern unseres Volkes sind schlichtweg unübertrefflich! Findest du nicht?« Stille. Erst jetzt bemerkte Balin die Trübheit in Thorins Blick, welcher keine Ruhe zu finden vermochte.

Da vernahm der Weißbärtige Filis Stimme, die weitaus leiser erklang als jene seines Onkels. Ein Licht erleuchtete das Innere von Balins Geist, als er sich an das Gespräch mit Bilbo erinnerte.

»Bilbo ist übrigens oben, er musste wohl ein wenig frische Luft schnappen.« Thorins Kopf machte eine hastige Bewegung, die eisblauen Augen weiteten sich. »Er muss sehr erschöpft sein. Den ganzen, lieben langen Tag lang ist er quer durch den gesamten Erebor gelaufen. Nur um dich zu finden.«

A Second Chance | Bagginshield Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt