Komplikationen

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Die Sonne stand bereits tief, als der Hobbit erwachte. Es war später Nachmittag. Oder doch Abend? Er blickte sich um. Wo war Thorin? Die anderen Zwerge? Sie hatten die beiden noch nicht gefunden. Oder etwa doch?

Mit dröhnendem Kopf erhob sich der Hobbit und bewegte die bleierne Stirn. Schließlich erkannte er Thorin an seiner dunklen, mit Pelz besetzten Kleidung. Am anderen Ende des Pfades beäugte er die Umgebung.

Mit schnellen Schritten hatte Bilbo ihn erreicht.

»Was machst du da?«, fragte der Halbling direkt. Thorin schien in einer Starre gefangen, keinen Muskel bewegte er. Ein wenig so wie in der Vornacht, als er zu Stein erstarrt gewesen war. Das machte Bilbo etwas Angst, doch er sprach sich selbst Mut zu: »Er ist bestimmt nur etwas müde oder geschockt.«

»Thorin? Ich bin es.« Der Hobbit schüttelte ratlos den Kopf. »Bilbo, dein, ähm ...«

»Natürlich weiß ich, wer du bist«, antwortete der Zwerg, machte eine halbe Drehung und lächelte. Seine blauen Augen strahlten richtig, fast ein wenig so, wie sie es schon einmal getan hatten. Bilbo erwiderte das Lächeln schief und richtete den Blick auf den schmalen, sandigen Pfad, der durch hohe Tannen führte. Tannen waren alles, was es hier gab. Von der Mündung der Felsspalte bis zu den kleinen Bergen.

»Die anderen sind noch nicht aufgetaucht, oder?«, fragte Bilbo. Thorin schüttelte nur den Kopf, senkte ihn dann und drehte sich vollständig um. Er sprach:

»Wir sollten unser Gepäck holen und aufbrechen, bevor die Sonne verschwunden ist. Mit etwas Glück holen wir sie ein.« Bilbo folgte ihm langsam.

Vielleicht war es egoistisch, doch der Hobbit genoss die Zweisamkeit mit ihm sehr. So hatten sie noch nie miteinander Zeit verbracht, zumindest nicht, ohne dass die anderen Zwerge in der Nähe gewesen waren oder unangenehme Zwischenfälle aufgetreten waren. Zögerlich nahm der Halbling sein Gepäck und folgte Thorin, der eiligen Schrittes vorauslief.

»Warte! Ich kann nicht so schnell«, rief Bilbo ihm völlig außer Atem nach. Thorin nahm tatsächlich Rücksicht darauf und verlangsamte sein Tempo, auch wenn Bilbo sehen konnte, wie schwer es ihm fiel. Natürlich wollte auch der Halbling die anderen Zwerge in Sicherheit wissen, aber er fühlte sich ausgelaugt und kraftlos. Der Weg war länger als gedacht, das Gepäck schwer, und auch nach einer halben Stunde erkannten sie keinen einzigen Zwerg.

Irgendwann, als ihm die Kraft ausging, setzten sie sich auf einen kleinen Absprung und die dort liegenden, ovalen Steine. Bilbo fühlte, wie jegliche Energie schwand.

»Es geht dir nicht gut«, bemerkte Thorin.

»Es geht schon, halb so wild.« Doch tatsächlich zitterte er am ganzen Körper. Dabei gab es offensichtlich keinen Grund für seinen Schwächeanfall.

Bilbo würde doch jetzt nicht krank werden?

Sein Immunsystem war gut, er ernährte sich gesund und hatte selten eine Erkältung. Ernsthaft krank war er noch nie gewesen.

»Sicher?«, fragte der Zwerg, welcher Bilbos Blässe bemerkt hatte.

»Ich bin bestimmt nur müde, der Tag war anstrengend.«

»Sieh nur, dein Gesicht! Es ist kreideweiß!«

»Aber nein, Thorin. Ich ...« Da wurde der Satz von einem heftigen Hustenanfall unterbrochen.

»Bilbo?«, konnte Thorin noch fragen, da krümmte sich der Körper des Hobbits. Beide Arme legte der Zwerg um ihn, ehe der Halbling beide Augen schloss.

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»Wir laufen bestimmt im Kreis!«, rief Kili verzweifelt. »Niemals können wir so weit entfernt gewesen sein!«

A Second Chance | Bagginshield Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt