Thorin nahm nicht mehr als einen Bissen von dem Eintopf des Vortages.
»Du musst doch hungrig sein!«, sagte Ori zu ihm.
»Er ist so seltsam!«, flüsterte Nori zu Dori, als der König mit gesenkter Haltung den glühenden, quadratischen, steinernen Raum mit den steinernen Tischen verließ.
Thorin dachte nach. Nicht einen seiner Gefolgsleute konnte er in die Höhle des Feuers schicken. Jeder einzelne von ihnen hatte es genauso wenig verdient wie ihr einstiger Meisterdieb. Bilbo war bestimmt schon über alle Berge. Schmerzerfüllt strich sich der Zwerg über die Stirn. Er wollte es sich nicht eingestehen, doch der Halbling fehlte ihm.
Er fedelte sich ein Netz aus Gedanken, ließ diese kreisen, um jede Stelle wieder und wieder zu ergründen. Erkenntnis überflutete seinen Geist wie ein Wasserfall. Er selbst war der einzige, der die Aufgabe, den Arkenstein zu borgen, übernehmen konnte. Und da niemand der Gemeinschaft damit einverstanden sein würde, beschloss Thorin noch an diesem Tage, heimlich zu verschwinden.
Seine Beine wollten sich nicht von der Stelle rühren, also zwang er sie dazu. Die wenigen Meter durch den schmalen, von Fackeln erleuchteten Höhlenspalt waren wie eine lange Wanderschaft. An den glatten Steinen suchte Thorin nach Halt. Seine Schritte schwankten gefährlich, sein Atem war kalt. Doch mit einem Mal vergaß er seine Schwäche. Vergaß er seine Furcht und Sorgen. Vergaß er sogar, wer er war.
Denn als Thorin die Halle betreten hatte und das gesamte Leuchten des Goldes wie eine Explosion seine Augen traf, fühlte er eine unaufhaltsame Energie in sich aufsteigen. Als wäre es alles, was auf der Welt existierte.
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Müde folgte Bilbo dem großen Zauberer, der sein Pferd an dem letzten Ast vor dem Erebor festband. Er trug den blauen Mantel.
»Der Weg ist steiler, als mir meine Erinnerung geflüstert hat«, sprach Gandalf erschöpft.
»Sieht ganz so aus«, stimmte Bilbo ihm kläglich zu. Doch jedes Hindernis war es wert, genommen zu werden. Man musste lediglich an das Ziel denken.
Da sagte Gandalf reuevoll: »Mir ist übrigens klar geworden, dass ich mehr als einen kleinen Teil eures Abenteuers verpasst habe nach all dem, was in deinem Buch gestanden hat.«
Mit jedem steilen Meter, den sie dem Eingang des Erebors näher kamen, wuchs die ständige Unsicherheit. Als hätte das Feuer des Drachen sie bereits übermächtigt.
»Mir ist ebenso bewusst geworden, dass der weitere Verlauf der Geschichte ohne mich ein weiteres tragisches Ende genommen hätte. So etwas darf nie wieder geschehen«, fügte Gandalf hinzu.
Bilbo erinnerte sich an den Moment, als Thorin ihn beinahe den Hang des Erebors hinab geworfen hätte. Doch die Erinnerung plagte ihn nicht mehr.
»Wohin bist du überhaupt verschwunden? Vor ein paar Tagen, im Düsterwald?«, fragte Bilbo neugierig. Der Hobbit musterte Gandalf akribisch. Sie kletterten die letzten Felsvorsprünge hinauf, ehe sie den Kopf der gewaltigen Statue erreichten.
»Ich war nicht einen Moment fort. Ich habe euch, nun ja, von der Seite aus beobachtet. Das letzte Mal, in der Vergangenheit, habe ich zu viel Zeit in etwas investiert, das der Mühe nicht wert war«, der Zauberer warf Bilbo einen warmen Ausdruck zu, »im Gegensatz zu meinen Freunden.«
Sie hatten das steinerne, in der Wand des Berges versteckte Tor erreicht.
»Und so wie es aussieht, habe ich jetzt endlich die Chance, etwas zum Besseren zu wenden. Genau wie du.«
Der Hoffnungsschimmer spiegelte sich auf dem Mund des Hobbits in Form eines Lächelns wider. Das Lächeln, das seine Angst verdeckte.
So betraten die beiden die majestätischen Hallen des Erebors.
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A Second Chance | Bagginshield
FanficBilbo ist gemeinsam mit Frodo nach Valinor gereist, wo er seinen Ruhestand genießt oder es zumindest versucht. Als eines Tages schließlich eine Elbin auftaucht und ihm die Chance gibt, zurück in die Vergangenheit zu reisen und sein Schicksal zu verä...