Kapitel 2

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»Ist alles in Ordnung?« Elina dreht sich zu mir, mit ihrer Hand hält sie mir bereits die Tür auf.

»Klar, sorry. Ich bin nur etwas überwältigt, das ist alles.« Eilig schlüpfe ich durch die Tür und nehme einen tiefen Atemzug. Hier drinnen ist es deutlich kühler als draußen, was an der Klimaanlage liegt. Wir befinden uns in einem kahlen Flur. Rechts befinden sich die Treppen nach oben, aber es führt auch ein Weg weiter hinein.

»Hier unten befindet sich die Küche, die von allen genutzt werden kann und ein großer Aufenthaltsraum. Hier kann man lernen, Tischkicker spielen oder einfach abhängen.«

»Tischkicker und Lernen? Diese Kombination hört sich nicht besonders verlockend an.« Naserümpfend lege ich meinen Kopf kurz in den Nacken und genieße die kalte Luft, die aus der Anlage bläst.

»Da hast du recht. Ich sollte mir eine andere Bezeichnung für den Mehrzweckraum einfallen lassen.« Wir lachen beide kurz auf, dann verschwindet Elina im besagten Raum. Es dauert keine Minute, bis sie zusammen mit einem blonden Adonis im Schlepptau zurückkehrt.

»Ich habe doch gesagt, dass wir schnell jemanden finden, der sich um dein Gepäck kümmern kann.« Mit einer zufriedenen Handbewegung präsentiert mir Elina ihre Errungenschaft.

»Als würde ich zwei hübschen Mädchen einen Wunsch ausschlagen können.« Der blonde Schönling kommt zielgenau auf mich zu und gibt mir seine Hand. »Ich bin Hunter Edwards, hallo Neue.« Lächelnd nehme ich seine Hand an und bin erstaunt, wie fest und muskulös sie ist. Wow, also wenn hier nur solche Hunters rumlaufen, verlaufe ich mich das ein oder andere Mal in den unteren Etagen.

»Ich bin Hadley Bennett oder wie du so schön sagst, die Neue.« Hunter grinst mich verschmitzt an, bevor er sich durch seine Locken fährt. Es ist verdammt schwer, den Blick von seiner selbstbewussten Art zu lösen.

»Hunter ist im zweiten Jahr, genau wie ich. Er kennt keine Grenzen, also wundere dich nicht, wenn du ihn mal nackt im Brunnen siehst.« Elina stößt ihm in die Seite, woraufhin er lacht und sich beide Koffer schnappt.

»Das kam bis jetzt nur einmal vor und auch nur, weil du mir diese Aufgabe bei einem dämlichen Trinkspiel gegeben hast!« Kopfschüttelnd stemmt er beide Gepäckstücke ohne Probleme in das weiße Treppenhaus hinauf.

»Es hat dir Spaß gemacht, gib es zu.« Elina greift nach meinem Arm und zieht mich zu den Treppen. Wir folgen Hunter, der wie ein starker Herkules, Stufe für Stufe in einem normalen Tempo zurücklegt. Sogar mir fällt es schwer, Schritt zu halten und in meiner Hand befindet sich nur eine lappige Handtasche.

»Wehe ihr starrt mir auf den Hintern!«, ruft er uns warnend zu.

»Du hast einen sehr schönen Hintern«, merke ich provozierend an. »Wie ein saftiger Pfirsich.« Elina lacht sich neben mir kaputt, während Hunter nun extra mit seinem Prachtstück wackelt. Ich steige in das Lachen ein, bis wir vor einer weiteren Glastür ankommen.

»Danke, du saftiger Pfirsich. Jetzt darfst du wieder abzischen.« Elina nimmt ihm die Koffer ab.

»Es heißt eigentlich erst die Arbeit und dann das Vergnügen. Wo bleibt mein Vergnügen?«, beklagt sich Hunter. Auf seiner Stirn ist kein einziger Tropfen Schweiß, gar nichts! Sogar ich bin geschwitzt und ich hatte kaum Gepäck in der Hand. Anscheinend besitzt dieser Typ keine Schweißdrüsen.

»Du hast ein Kompliment für deinen Hintern bekommen. Das sollte genug sein.«

»Danke fürs Hochbringen«, füge ich Elinas Satz noch hinzu und schenke Hunter ein aufrichtiges Lächeln.

»Die Neue ist viel netter als du.« Er zeigt mit dem Finger auf mich, während er Elina mit zusammengezogenen Augenbrauen fixiert. »Willkommen an der Academy, Neue. Die geilste Zeit deines Lebens beginnt jetzt. Falls du dich langweilen solltest, kontaktier mich einfach.« Er zwinkert mir charmant zu, dann macht er einen Abgang. Und zwar genau so elegant und geschmeidig, wie er aufgetaucht ist.

»Dann suchen wir mal dein Zimmer.« Zusammen marschieren wir den langen Flur entlang, der mit vielen Türen rechts und links ausgestattet ist. An jeder Tür hängen Zimmernummern, Elina schaut zur Bestätigung noch einmal auf ihr Klemmbrett, bevor wir bei der Nummer 310 innehalten.

»Kann es sein, dass zwischen Hunter und dir etwas läuft?«, frage ich ruhig, aber eine Augenbraue hebt sich bei mir schon hoch. Ich kenne Elina nicht lange, deswegen sollte ich mich mit persönlichen Fragen zurückhalten. Trotzdem kann ich nichts gegen meine ausgeprägte Neugierde machen.

»Zwischen Hunter und mir? Niemals!«, ruft sie beinahe fassungslos aus. »Er ist immer so und wir necken uns gegenseitig. Hunter würde ein Mädchen niemals alleine ihre Koffer hochtragen lassen, dafür ist er einfach viel zu lieb. Aber er ist ein Player.«

»Das ist irgendwie süß«, gebe ich grinsend zurück. »Also der erste Teil deines Satzes.«

»Ja, oder? In manchen Aspekten ist Hunter echt von der alten Schule und er zeigt seine Männlichkeit eher unbewusst. Er hängt sich nicht an eine Stange und gibt damit an, wie viele Klimmzüge er schafft, sondern trägt lieber schwere Einkäufe einer Dame ins Haus.«

»Er ist echt der Traum eines jeden Mädchens«, schwärme ich aus Spaß, doch ernte direkt ein starkes Kopfschütteln von Elina.

»Und Hunter nimmt auch jedes Mädchen, verstehst du? So toll er auch klingen mag, er ist ein Draufgänger. Ein Regelbrecher. Er tut alles, um Spaß zu haben, was ihm oftmals ganz schön viel Ärger einbringt. Vor zwei Monaten wurde er für zwei Monate suspendiert.« Elina seufzt auf. »Aber genug von Edwards. Willkommen in deinem neuen Zuhause!«

Schwungvoll öffnet Elina die Tür und was mich dort erwartet, lässt mich stutzen. Langsam gehe ich in das Zimmer hinein. Oder sollte ich lieber Kämmerchen sagen? Es ist ziemlich winzig und es stehen zwei Einzelbetten an beiden Seiten der Wand. Ein hohes Fenster lässt helles Licht ins Zimmer scheinen, jedoch werden die von einem geblümten Vorhang aufgefangen.

»Das Zimmer ist zwar klein und du musst dir den Raum mit einem anderen Neuling teilen, aber dafür kannst du im zweiten Jahr ein eigenes beantragen. Außerdem hat euer Zimmer einen grandiosen Ausblick auf den Campus und das Badezimmer ist geräumiger als in den anderen Zimmern.« Während ich mich weiter umschaue, schiebt Elina mein Gepäck hinein und hievt alles auf mein Bett. Ich habe einen eigenen Schreibtisch, der vor dem Fenster steht. Der andere Tisch steht an der Wand und wurde bereits mit Sachen meiner neuen Mitbewohnerin vollgeräumt.

»Das wird schon ausreichen«, rede ich mir selbst ein und begutachte kurz das Bad. Es hat keine Badewanne, aber eine schöne Dusche mit einer Glaswand. Da ich mir noch nie ein Zimmer teilen musste und immer über ein eigenes Bad verfügte, wird es zunächst eine Umstellung sein.

»Willst du erst auspacken, oder soll ich dir davor den Campus zeigen?« Bevor ich antworten kann, klingelt Elinas Handy. Während sie telefoniert, schaue ich aus dem Fenster und schiebe dafür den Vorhang etwas zur Seite. Die Aussicht ist wirklich großartig, alles blüht, soweit das Auge reicht.

»Planänderung.« Elina kommt auf mich zu. »Das war die Sekretärin der Academy. Direktorin Princeton erwartet dich im Landhaus ihrer Familie.« Bevor ich überhaupt Luft schnappen kann, zieht Elina mich an der Hand zur Tür. »Und zwar jetzt gleich.«

Das Blut gefriert in meinen Adern, alles vor mir wird schwarz. Auch nach fünf Jahren bin ich nicht bereit, Blake Princeton Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen. Das Monster fährt seine Krallen aus und ich stolpere wie eine leichte Beute genau in seine Falle hinein. 

The Sunstead AcademyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt