Kapitel 52

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Blake

»Ich kann nicht glauben, in was für eine Scheiße du uns geritten hast.« Meine Stimme ist müde und erschöpft und trotzdem kann man meine Wut raushören. Ich umklammere die Eisenstangen vor mir mit beiden Händen und halte meinen Kopf daran, da mich die Stangen kühlen.

»Ich kann doch echt nichts dafür! Woher sollte ich wissen, dass die Frau verheiratet ist? Außerdem habe ich nichts gemacht, sondern ihr nur etwas von meinem Bier abgegeben.« Hunter scheint den Ernst der Lage noch nicht richtig begriffen zu haben, aber wir vier sitzen hier in einer Zelle! In einer verdammten Zelle, als wären wir Verbrecher! Wenn meine Mom davon erfährt, wird sie mir den Arsch aufreißen.

»Wir hätten einfach härter zuschlagen müssen.« Matteo und Filippo sehen die Sache ähnlich locker, wie Hunter. Die drei sitzen hinter mir auf der Bank, währenddessen ich mich nicht beruhigen kann und andauernd auf und ab gehe.

»Sie lassen uns erst morgen früh gehen und sie rufen meine Mom an.«

»Dann wird Direktorin Princeton uns hier rausschlagen. Das bekommt sie doch locker hin.«

»Die Strafe für uns beide wird jedoch nicht so locker.« Ich wende mich an Hunter. Matteo und Filippo gehen nicht auf die Academy, aber ich denke, dass Mom sie ebenfalls rausboxen wird.

»Die erledigen wir schon, obwohl uns keine Schuld trifft.«

Wir waren nur in einer Bar und hatten viel Spaß beim Reden, bis Hunter sich ein neues Bier holen wollte und bei einer Frauengruppe gelandet ist. Eine hat nämlich ihren Arm ausgestreckt und ihn abgefangen, als er auf dem Weg zur Bar war. Das habe ich mit angesehen. Hunter blieb eine Weile dort, bis er mit einer deutlich älteren Frau raus ging und sich von der Bar entfernte. Die nächste Stunde passierte gar nichts, bis Hunter uns anrief und uns aufforderte, hinter die Bar zu kommen, da es dort ärger gibt. Wir stürmten natürlich raus um unseren Freund zu helfen, doch dort waren plötzlich zehn Männer, die anscheinend zu der Frau gehörten. Einer von ihnen war ihr Mann und es stellte sich heraus, dass die Frau ihren Junggesellenabend hatte und diesen mit Hunter verbringen wollte. Der Mann war stinksauer und ohne es zu merken, befanden wir uns plötzlich in einer Schlägerei, bis Passanten die Polizei riefen. Die Männer verschwanden, doch uns schnappten sie ohne große Hilfe. Davor habe ich es geschafft, Hadley anzurufen, da Elion nicht ans Telefon ging. Ich habe gehofft, er könnte uns schnell einsammeln, doch daraus wurde nichts.

Stattdessen hocken wir jetzt hier auf der Polizeistation. Die ganze Nacht und warten darauf, dass meine Mom uns morgen hier abholt. Unsere Handys wurden eingesammelt, so wie all unsere anderen Wertgegenstände auch. Wir sitzen hier hinter Gittern und ich könnte schwören, dass ich schon beginne, verrückt zu werden.

»Dem einen habe ich so einen guten Schlag verpasst.« Filippo scheint stolz auf sich selbst zu sein, was ich nicht verstehen kann. Ich habe mich nicht hart geschlagen, trotzdem tut mein Körper weh und meine Rippe, in die einer der Gestörten seine Faust gerammt hat.

»Ich fühle mich echt benutzt, Leute.« Hunter scheint einen Krise zu haben, denn als ich mich zu ihm drehe, hat er seine Knie an den Körper gezogen und wirkt niedergeschlagen. »Ich wollte doch nur ein Bier holen, dann zieht diese Frau mich zu sich und versucht mich zu verführen! Und am Ende geht ihr Verlobter auf uns zu? Sie wollte diesen Stress in die Beziehung bringen und hat mich dafür benutzt.«

Augenrollend setze ich mich zu Hunter und stupse ihn an. »Mach dir nichts draus, Kumpel. Die war eh zu alt für dich.«

»Ich hatte auch kein Interesse«, protestiert er.

»Also ich fand es aufregend, da könnt ihr sagen, was ihr wollt.« Matteo spielt an seinem Ärmel herum, an dem etwas Blut klebt. »Nur dass wir hier hocken müssen, ist nicht so geil. Ich wäre lieber in meinem Bett.«

»Ab Morgen stelle ich Hunter erst einmal unter Arrest. Die Academy verlässt du so schnell nicht wieder«, stelle ich ernst klar.

»Ich wiederhole.« Hunter seufzt. »Es ist nicht meine Schuld. Wahrscheinlich wollte sie nicht heiraten und hat einen Grund gesucht, ihn loszuwerden. Mein Ego verkraftet diese Demütigung nicht. Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, ich versuche die Blamage zu verschlafen.« Er platziert seine Arme über den Knien und legt seinen Kopf drauf, damit er eine Art Kopfkissen hat.

»Dann schlaf Mal schön in dieser Zelle«, brumme ich und weiß, dass ich wohl die ganze Nacht kein Auge zu machen werde.

Das Schlimmste ist, dass ich Hadley nicht einmal Bescheid sagen kann, wo ich bin, und was passiert ist. Sie macht sich nach dem kurzen Anruf sicherlich Sorgen.

Am nächsten Morgen werde ich mit störenden Geräuschen geweckt. Jemand donnert einen Gegenstand gegen die Eisenstangen, wodurch wir alle vier wach werden.

»Aufstehen, ihr Schlafmützen.«

Ich erkenne die Stimme erst Sekunden später, als ich langsam richtig wach werde und bemerke, was für höllische Rückenschmerzen ich habe. Verflucht, wo bin ich? Erst als ich die Augen öffne und gegen das grelle Licht ankämpfe, fallen mir die gestrigen Ereignisse wieder ein. Verdammt, ich bin immer noch in dieser Zelle und ich habe im Sitzen geschlafen.

»Also damit habe ich nicht gerechnet, als Mom gesagt hat, dass ich euch abholen muss.« Elions Stimme wird mir erst jetzt richtig bewusst, als ich ihn auf der anderen Seite der Gitterstangen erkenne. In der Hand hält er eine Flasche, mit der er gegen die Stangen gehauen hat, um uns zu wecken.

»Du hast dir aber Zeit gelassen«, murmle ich und stehe auf. Matteo und Filippo sind ebenfalls auf den Beinen, nur Hunter scheint unsere Rettung zu verschlafen. Wie ein Murmeltier zu gekauert liegt er auf der Bank und bekommt nichts mit.

»Ihr könnt jetzt gehen, die Kaution wurde bezahlt.« Ein Polizist öffnet uns die Zelle auf und ich bin der erste, der ins Freie trete. »Eure Wertsachen findet ihr in der Box.«

Auf einem schmalen Tisch steht eine Plastikbox, aus der wir unsere Sachen nehmen. Da Hunter noch schläft, stecke ich sein Zeug ebenfalls ein.

»Endlich frei, ich habe so einen Hunger«, verkündet Matteo und lässt seinen Nacken knacken. »Wir gehen jetzt, ja? Und stellt keinen Blödsinn mehr an.«

»Wenn ihr nicht dabei seid, wird schon nichts passieren.« Ich hebe noch die Hand, um Matteo und Filippo ui verabschieden, dann verschwinden sie.

»Lass uns auch abhauen. Ich halte es hier drinnen nicht mehr aus.«

Elion bleibt auf der Stelle stehen und sein Gesicht ist blass. Irritiert lege ich meine Stirn in Falten und verschränke meine Arme vor der Brust. »Bist du krank?«, frage ich rundheraus.

»Nein. Aber ich musste meinen Bruder eben von der Polizei abholen und...«

»Leute, wo seid ihr?« Hunter unterbricht meinen Bruder und er sieht sich panisch um, bis er uns vor der Zelle erkennt. »Und ich dachte schon, ihr habt euch ohne mich verpisst.«

Ich ignoriere ihn und schaue lieber Elion an. »Und was? Warum bist du eigentlich gekommen und nicht Mom? Ich habe ihre Nummer hinterlegt.« Dass er aufgetaucht ist, ergibt wirklich wenig Sinn.

Elion holt tief Luft. »Mom konnte nicht kommen, weil sie im Krankenhaus ist.«

Panisch vergrößern sich meine Augen. »Was? Was zur Hölle ist passiert? Hat sie sich verletzt?«

Elion sieht zu seinen Fingern, er ist nervös und das macht mich nur nervöser. Wenn mein Bruder nicht mit der Sprache rausrückt, kann es nur etwas Schlimmes sein.

»Was ist passiert?«, knurre ich und beiße meine Zähne fest zusammen. Meine Hände ballen sich zu Fäusten und ich würde gerne gegen die Wand hauen, wenn wir uns nicht auf einem Polizeirevier befinden würden.

»Nicht Mom liegt im Krankenhaus, sondern Hadley.« Er macht eine Pause und sieht mich traurig an. »Sie hatte einen Autounfall mit deinem Auto.«

Alle Geschehnisse von damals stürzen auf mich ein und ziehen mich in einen tiefen, tiefen Abgrund der Verzweiflung.

The Sunstead AcademyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt