Kapitel 20

768 28 5
                                    

In den letzten Tagen der Semesterferien habe ich viel Zeit mit Elina verbracht, aber ich nahm mir die Zeit alleine auch sehr zu Herzen. Ich ging oft spazieren, lauschte den Klängen der Natur und habe wirklich in Erwägung gezogen Tracys Yogakurs beizutreten. Bis jetzt habe ich mich noch nicht überwunden so früh aufzustehen, aber was nicht ist, kann noch werden. Den Telefonaten mit meinen Eltern ging ich größtenteils aus dem Weg. Sie riefen mich alle zwei Tage an. Manchmal lehnte ich ab, beim nächsten Mal ließ ich mein Handy klingeln und selten ging ich ran und redete einige Minuten mit ihnen. Es fällt mir schwer ein vernünftiges Gespräch zu führen, da immer die Ironie miteinspielt, dass sie mich ohne mein Einverständnis an die Academy geschickt haben. Meine Mom gibt sich Mühe, schickt mir andauernd Nachrichten und erzählt mir von ihrem Tag, während ich nur mit ausdruckslosen Emojis reagiere. Ich fühle mich schlecht deswegen, ja. Aber die Tatsachen sprechen für sich und entschuldigen mein kindisches Verhalten.

Genau das mache ich. Ich verhalte mich kindisch. Jeder Außenstehender, der meine Beweggründe nicht kennt, denkt sicherlich, dass ich einen Dachschaden habe. Allein heute auf dem Campus habe ich mich wie in einer furchtbaren Realityshow gefühlt. Ich tat so, als wäre ich jemand anderes. Ein fremdes Wesen steckte in meinem Körper und steuerte alles, was ich tue.

Ganz genau wie jetzt. Eigentlich war mein Plan gewesen, meine Schwimmtasche zu packen und mit Elion in die Halle zu gehen. Doch wie sagt man so schön? Pläne entstehen dann, wenn man bereits andere gemacht hat. Ich habe mir eine knappe Shorts angezogen und dazu ein weißes Spitzentop, welches auch genauso gut als BH fungieren könnte. Meine blonden Locken sind zu einem hohen Zopf gebunden, meine Lippen habe ich mit roten Lippenstift übermalt. Große Kreolen schmücken meine Ohren und ich trage unter meinem Oberteil keinen BH. Es wird nicht schwierig sein, die Umrisse meiner Brüste zu erkennen. Natürlich habe ich meine Schwimmtasche gepackt, ich möchte nicht auf Elions Angebot verzichten. Nur bevor ich die Halle betrete, habe ich noch etwas Zeit um Unfug zu treiben.

Die Sonne verschwindet bereits hinter den Fassaden der Academy. Es ist angenehm ruhig auf dem Campus, nur vereinzelte Leute sind zu erkennen, die mich zum Glück kaum wahrnehmen. Mit meiner Sporttasche auf dem Rücken mache ich mich auf den Weg. Ich finde den Weg zu den Sportplätzen ohne Schwierigkeiten, da ich mich inzwischen einigermaßen auf dem Campus zurechtfinde. Mein Herz poltert wild in meiner Brust umher, ich kralle meine Fingerspitzen in die Riemen meiner Tasche und versuche mich auf meine Atmung zu konzentrieren. In Australien habe ich bei einigen Workshops teilgenommen, bei denen man gelernt hat, wie man richtig atmet. Das klingt zunächst super easy, aber es dauert lange, bis man seine Atmung kontrollieren kann.

Aus der Ferne erkenne ich die Beleuchtungen des Feldhockeyfeldes. Einer von Blakes Jungs hat mir verraten, wann das Training beginnt, also haben sie es mir fast schon zu einfach gemacht. Eine Jungsgruppe mit Basketbällen in der Hand kommt mir entgegen, die kaum die Augen von mir abwenden können. Einige von ihnen pfeifen mir zu und mir entgeht nicht, dass sie sich nach mir umgedreht haben, nachdem sie an mir vorbei gelaufen sind.

»Heiße Braut!«, ruft mir einer zu, woraufhin ich die Zähne fest zusammen beiße.

Wofür mache ich so einen Blödsinn eigentlich? Heute Morgen hat Blake bereits bewiesen, dass es ihn nicht kümmert mich zu sehen. Warum glaube ich, dass ich einen Menschen, dem ich nichts bedeute mit meinem halbnackten Körper umstimmen kann? Verdammt, ich habe zu viele unrealistische Filme geschaut. Eigentlich versuche ich mit solchen Aktionen keine Bestätigung zu bekommen, da ich mir selbst wie der größte Affe vorkomme. Ich möchte Blake aus seiner Reserve locken und seinen Beschützerinstinkt einschalten. Damals hat er immer auf mich aufgepasst, wie ein großer Bruder. Ich möchte einfach nicht einsehen, dass nichts mehr davon übrig ist. Meine Ansichten widersprechen sich selbst. Einerseits möchte ich, dass Blake bestraft wird und andererseits will ich, dass er sich um mich sorgt. Ich spiele echt verrückt. Das hat dieser Ort so an sich.

The Sunstead AcademyWo Geschichten leben. Entdecke jetzt