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Mila POV

Nachdenklich sah ich auf meinen Arm. Es war inzwischen 8 am. Nachdem ich heute Nacht aufgewacht bin, ging es mir nicht sonderlich gut. Ich hatte das Gefühl in meinem eigenen Körper gefangen zu sein. Ich bekam Panik, aber beruhigte mich wieder als Jake mit mir in den Flur gelaufen ist und ich mich an ihn kuscheln konnte.

Es war komisch. Ich wusste was passiert war, aber ich realisierte es nicht. Ich erinnerte mich an alles, bis zu dem Rettungswagen, aber es kam nicht in meinem Kopf an.

Ich sah die Schussverletzung, oder eher das riesige Pflaster auf meinem Unterarm und meinem Bauch, aber ich konnte nicht verstehen, dass ich wirklich angeschossen wurde. Alles war so surreal.

Jake hat heute Nacht mit mir über meine Verletzungen gesprochen und ich wusste dass es passiert ist, aber es war einfach nicht real für mich. Ich wusste nicht was ich über all das Denken sollte, aber ich fühlte mich gleichzeitig so traurig und leer.

Es war, als hätte mir jemand alles, was jemals in mir war heraus gerissen und einfach nur die leere Hülle zurück gelassen. Ich hatte einen Amoklauf überlebt, aber ich verstand es einfach nicht, es ging nicht. Und trotzdem fühlte ich die Trauer, den Schmerz, die Angst und die Leere.

Ich sah die toten Schüler auf dem Flur liegen. Fast alle mit dem Gesicht nach unten. Sie waren am weg rennen, am weg rennen wie ich auch, als sie von hinten erschossen wurden. Sie haben es nicht kommen sehen. Sie haben ihren Tod nicht kommen sehen.

Ich sah das Mädchen, über das ich gestolpert war und das andere Mädchen, in dessen Blut ich gefallen war.

Ich sah das Mädchen, das mir mit ihrem Angsterfüllen Augen in meine gesehen hat, als sich ihre Gesichtszüge entspannt haben und auch sie in sich zusammen gesackt ist.

Ich sah alles. Ich hörte alles.

Den Feuermelder.

Die Schüsse. Die vielen Schüsse.

Die Schreie. Jeder einzelne Schrei hatte eine Geschichte, ich hatte meine Geschichte.

Ich hatte meine eigene Amoklauf Geschichte.

Ich roch alles. Ich roch das Schießpulver. Ich roch das Blut. Der Eisen Geruch der in der Luft hing.

Ich spürte alles. Ich spürte meine Angst. Ich spürte die Angst der anderen. Ich spürte die Anspannung die in der Luft hing. Ich spürte den Schmerz und die Trauer. Und ich spürte das Blut. Mein Blut, mein warmes Blut, das mir über den Bauch gelaufen ist.

Es war alles da, es kam nicht in meinem Kopf an und doch war es gleichzeitig da. Ich war so leer, aber gleichzeitig voller Schmerz und Trauer. Ich fühlte nichts, und gleichzeitig alles. Meine Gedanken waren verschwunden und gleichzeitig konnte ich sie nicht mehr kontrollieren.

Was ist wahr und was nicht? Was soll ich machen? Soll ich all das einfach akzeptieren? Soll ich dagegen ankämpfen? Was soll ich machen? Was...

Ich starrte den ganzen Morgen an die Decke. Jake hatte mich keine Sekunde aus den Augen gelassen.

Luke war sehr komisch, als er heute Morgen aufgewacht ist. Ich wusste warum, aber gleichzeitig auch nicht. Ich wollte nachfragen, aber ich konnte nicht.

Wie soll ich andere Fragen was los ist, wenn ich es selber nicht weiß? Es war keine komische Stimmung. Luke wusste nicht wie er mit mir umgehen soll, ich wusste nicht wie ich mit ihm umgehen soll.

Cole hat ihn vor einer Weile nach Hause gefahren. Dafür ist Alex zu mir gekommen. Auch mit ihm und Jake redete ich nicht wirklich.

Ich wusste einfach nicht wie ich auf all das reagieren sollte? Muss ich heulen, weil mir das passiert ist? Muss ich fröhlich und dankbar sein, dass ich noch lebe? Muss ich mein Leben weiter leben, als wäre nichts passiert? Wie reagiert man in so einer Situation?

Ich wusste, dass meine aktuelle Stimmung nicht echt war. Ich fühlte tief in mir den Schmerz, die Angst, den Tod, aber es war, als ob es mir nichts ausmachen würde und ich es einfach beiseiteschieben kann. Das konnte ich nicht und das wusste ich, aber das Gefühl wollte nicht verschwinden.

Es war alles so unecht. Alle meine Gefühle waren unecht.

„Willst du mir uns darüber reden, über was du gerade nachdenkst", fragend sah Jake mich an. Er saß zusammen mit Alex auf der Couch, die neben meinem Bett stand. „Ich weiß es nicht", erwiderte ich.

„Du weißt nicht, ob du mit uns darüber reden möchtest?". „Ich weiß gar nichts. Ich bin so leer, aber gleichzeitig so voll. Ich weiß, was passiert ist, aber gleichzeitig weiß ich es nicht. Ich spüre den Schmerz, die Trauer und die Angst, aber gleichzeitig spüre ich es nicht. Ich weiß nicht was ich machen soll? Soll ich dankbar und glücklich sein? Traurig? Wie soll ich sein? Was soll ich machen? Wie soll ich mich verhalten?", fragend sah ich meine Bruder an.

„Weißt du Prinzessin", begann Jake: „es ist viel, das du erst einmal verarbeiten und realisieren musst. Das ist ein laufender Prozess und es kann Stunden dauern, bis du das alles realisiert hast oder Tage. Du spürst zu viele Emotionen auf einmal, sodass es dich verwirrt. Du sollst du sein wie du bist. Du hast einen Amoklauf überlebt.

Du bist wütend, weil es dir passiert ist. Du hast Angst, dass es wieder passiert. Du fühlst Trauer, weil du gesehen hast was passiert ist und das andere Schüler gestorben sind. Du spürst den Schmerz, den du körperlich hattest, aber auch der, der in deinem Kopf ist. Du spürst Erleichterung, da du am Leben bist. Du bist froh und dankbar, dass nicht schlimmer verletzt wurdest. Du fühlst das alles und das ist normal und okay. Du kannst in der einen Sekunde traurig sein und in der nächsten wieder glücklich, dann wütend und dann erleichtert.

Du wirst das alles spüren und du musst es zu lassen. Du musst dir selber erlauben, dass du dieses Gefühle zulassen wirst, auch wenn es schwer ist und weh tut, aber nur wenn du das schaffst, kannst du das alles überwinden. Die nächsten Tage werden nicht einfach, aber danach wird es leichter. Du musst bitte wirklich versuchen dich zu akzeptieren wie du bist und deine Emotionen und Reaktionen nicht zu verstecken.

Es geht jetzt nur um dich. Alles was wichtig ist bist du. Du darfst nicht darüber nachdenken, was andere von dir denken können, du musst jetzt zuerst an dich denken und lernen damit umzugehen. Wenn du ehrlich zu dir selber bist und dich nicht versteckst und verstellst, wird es einfacher mit der Zeit. Du wirst lernen damit zu leben, bis du akzeptieren kannst, dass es nun ein Teil von dir ist.

Es ist sehr wichtig, dass du über all das sprichst und es nicht in dich hinein frisst. Niemand zwingt dich zum Reden, aber es wäre schön wenn du es versuchen würdest. Du musst auch nicht mit uns reden, Dr. Wendy steht dir jederzeit zur Verfügung, wann immer du möchtest".

Ich denke Jake hatte echt. Ich muss einfach ich selbst sein, auch wenn ich Momentan nicht weiß wer ich bin und wie ich mich fühle. Ich erhob meinen Blick und sah zu Alex, „wie war es bei dir, als du angeschossen wurdest?"...

Big Brothers 8Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt