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Ich zuckte zusammen. Der Schuss hallte noch nach, als bereits der nächste fiel. Mein ganzer Körper war angsterfüllt. Ich wollte weg laufen, aber konnte mich nicht bewegen. Es war, als wäre ich in meinem eigenen Körper gefangen.

Wie in Trance sah ich Ralf, jedoch verschwamm meine Sicht immer mehr. Ich hörte Schreie. Roch Blut. Mit jedem blinzeln sah ich, wie der Amokläufer vor uns stand, mir die Schüler entgegengerannt kamen und er auf uns schoss. Mit jedem Schuss spürte ich schmerzen und Angst. Das Seil zog sich eng um meinen Körper und es war, als ob jemand auf meinem Brustkorb sitzen würde. Jeder Atemzug wurde schwerer und schwerer und ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu bekommen.

Ich verlor die Kontrolle über mich und meinen Körper, während die Angst allgegenwärtig war. Es fühlte sich wie in der Schule an. Diese Angst gleich zu sterben, erschossen zu werden und qualvoll zu verbluten. Jede Zelle in meinem Körper war von dieser Angst erfüllt. Es war unerträglich. Panisch atmete ich ein und aus. Ich war gefangen, in meinem eigenen Körper, während ich das Gefühl hatte zu ersticken.

Plötzlich spürte ich Hände unter meinen Armen. Ich wurde von hinten über die Rückenlehne der Couch gehoben und kurz darauf auf meinen Beinen wieder abgelassen. Sie waren weich wie Pudding. Ich hörte gedämmte Stimmen um mich herum, die aber von den Schüssen immer wieder übertönt wurden.

Alles in mir Schrie, dass ich um mein Leben laufen sollte, aber ich konnte nicht. Zitternd stand ich da und drohte jeden Moment den Halt zu verlieren. Vor meinen Augen spielte sich der ganze Amoklauf ab, während ich spürte, wie jemand meine Hand nahm und mich sanft aber zügig weg zog. Aber alles was ich sah, war der Amoklauf. Wie ich mich unter dem Tisch versteckte. Wie ich wegrannte, während von hinten auf mich geschossen wurde.

Die Angst. Die Schmerzen. Einfach alles. Ich konnte nicht mehr. Es war alles zu viel. Meine Beine begannen unter mir nachzugeben. Mein Körper konnte nicht mehr. Ich bekam immer schlechter Luft und hatte das Gefühl zu ersticken.

Ich nahm nichts mehr von meiner Umgebung wahr, bis ich plötzlich spürte, wie mich jemand in seine Arme zog und mich sanft an sich drückte. Etwas legte sich auf mein linkes Ohr, während mein rechtes von etwas anderem abgeschirmt wurde. Die Geräusche, die Schüsse verstummten.

Jemand begann mir sanft über den Rücken zu streichen. Ich kniff meine Augen zusammen. Ich wollte, dass es aufhört. Die Bilder, die Erinnerungen. Ich kann das alles nicht mehr. Auch wenn ich nicht wusste, wer bei mir war, wusste ich, dass es einer meiner Brüder war. Ich spürte die Nähe und Geborgenheit, die von ihnen ausging, auch ohne, dass ich sie sah.

Ich war gefangen in meinen Erinnerungen und schaffte es nicht, zurück in die Realität zu finden. Jemand nahm meine zitternden Hände in seine. Ich kniff meine Augen weiter zusammen. Es wollte nicht aufhören. Ich hatte das Gefühl, an der Angst zu zerbrechen. Es wollte einfach nicht aufhören.

Ich klammerte mich an die Hände, die meine hielten, während ich langsam das Gefühl bekam zu ersticken. Das Seil schnürte meinen ganzen Körper ein, der Druck auf meinem Brustkorb wurde immer größer und mir fehlte immer mehr die Kraft zu atmen, als jemand die Hand von meinem Ohr nahm. "Ich weiß, dass es schwer ist, aber ich möchte du das dich beruhigst, Prinzessin. Es ist alles in Ordnung. Den Druck, den du wahrscheinlich beim Atmen spürst ist nicht real und nur eine psychosomatische Erscheinung. Du kannst ganz normal atmen", hörte ich Coles ruhige Stimme, die mich etwas aus meinen Erinnerungen riss.

"Es war nur Ralf der geschossen hat, niemand anderes. Hier ist niemand, vor dem du Angst haben musst oder der dich verletzen möchte. Du bist hier sicher", hörte ich nun auch Mikes Stimme, "öffne die Augen und schau mich an". Ich spürte, wie jemand meine Hand los ließ und mir stattdessen jemand sanft über meine Wange strich. Es waren nur Cole und Mike bei mir. Es gab keinen Grund hier so durchzudrehen, aber ich konnte es nicht abschalten.

Big Brothers 8Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt