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Nachdenklich saß ich auf der Sitzfläche, die sich in Mitten meines Kleiderschrankes befand und starrte meine Klamotten an.

Die Schule möchte, dass wir uns wie an einem normalen Schultag anziehen und nicht in schwarz gekleidet kommen. Wir sollten die erschossenen Schüler und Lehrer verabschieden, aber auch die Überlebenden und das Leben an sich feiern.

Ich konnte und wollte nicht wirklich verstehen, was es zu feiern gab. Es sind so viele Schüler tot. Das Leben deren Familien und von uns anderen Schülern hat sich verändert. Es gab nichts zu feiern, nur zu betrauern.

Zögerlich nahm ich eine dunkelblaue Jeans und ein dunkles, graues Shirt, bevor ich meine Haare kämmte und nochmals in den Spiegel sah. In den dunklen Klamotten sah ich noch blasser aus, als ich ohnehin schon war-

Trotz der Schmerztabletten hatte ich oft Bauchschmerzen. Ich war die ganze Zeit kaputt und erschöpft. Das Seil um meinen Körper und die Last in meinen Knochen erdrückten mich mal mehr und mal weniger. Meine Brüder hatten recht und es wurde langsam besser, aber besser werden heißt nicht das es gut war.

Ich konnte manchmal dem Amoklauf für eine kleine Zeit vergessen, spürte trotzdem die ganze Zeit, dass etwas nicht stimmte. Die Leichtigkeit und Unbeschwertheit waren weg.

Ich versuchte das zu machen, was meine Brüder mir sagten und mich an die kleinen Verbesserungen halten. Ich konnte den Amoklauf manchmal vergessen, das war schon besser als noch vor 5 Tagen. Meine Schmerzen wurden langsam besser. Ich war wieder zuhause und fühlte mich sicher und wohl. Es gab vereinzelte Momente, in denen alles gar nicht mehr so schwarz und aussichtslos schien.

Es waren winzige, kaum spürbare Verbesserungen, aber es waren Verbesserungen. Es wurde besser und daran musste ich auch weiterhin glauben.

In Gedanken versunken lief ich die Treppen runter. Alex wartete bereits in der Küche auf mich. Liam, Mason und die Zwillinge waren bereits zur Trauerfeier gefahren. Sie wollten alleine gehen, ohne einen unserer Brüder, wobei es Liam, Mason und Luke wahrscheinlich egal war.

Dylan hingegen war anzusehen, dass es das alleine machen wollte, ohne das Cole, Jake oder Mike dabei waren. Sie akzeptieren das und ließen die Jungs alleine, während Alex mit mir hingehen wird. Im Gegensatz zu meinen Brüdern würde ich das ohne Alex nicht hinbekommen, auch wenn es selbst mir inzwischen etwas zu viel wurde.

Seit einer Woche waren meine Brüder ständig um mich herum. Ich hatte Probleme alleine zu schlafen, also blieb eigentlich immer einer von ihnen nachts bei mir und arbeitete an seinem Laptop. Tagsüber war ebenfalls immer jemand zuhause. Mir war bewusst, dass ich meine Brüder brauchte und ich das ohne sie nicht schaffen würde, trotzdem vermisste ich es auch mal meine Ruhe und Zeit für mich zu haben.

Es war schwer zu akzeptieren, dass ich Kleinigkeiten plötzlich nicht mehr konnte. Es begann schon bei meinem Handy. Ich konnte es nicht in die Hand nehmen. Ich hatte Angst davor, was es mit mir machen wird wenn ich die Nachrichten und Bilder von dem Amoklauf sehe. Mein Handy, der TV, das Tablet, nichts von diesen Dingen konnte ich benutzen. Ich fühlte mich manchmal selbst in meiner Angst gefangen.

„Wir sind immer noch der Meinung, dass es besser wäre wenn du hier bleibst", ernst sah Alex mich an. Ich schüttelte den Kopf. Die Trauerfeier war meine Chance vielleicht einen weiteren Schritt zu gehen und kann mir hoffentlich dabei helfen, mit allem abzuschließen. Ich wollte nicht mein restliches Leben in Angst und Trauer verbringen, auch wenn es manchmal schien, als würde es kein anderes Leben mehr geben.

Ehrlich gesagt wusste ich noch nicht, wie ich das alles machen soll. Ich konnte mir keine Nachrichten ansehen, aber wollte auf die Trauerfeier. Ich fühlte mich außerhalb des Hauses unwohl, aber wollte mich zusammen mit über 1.000 anderen Schülern am Strand versammeln. Ich konnte mit meiner eigenen Amoklaufgeschichte nicht umgehen, aber wollte mir die der anderen anhören. Ich wusste nicht, wie ich das machen soll, aber ich wusste, dass ich es machen muss.  

Big Brothers 8Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt