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Mila POV

"Und du bist dir sicher, dass du dir das antun willst?", fragte Alex schmunzelnd. "Ich habe ja jederzeit eine gute Ausrede, warum ich wieder gehen will", erwiderte ich grinsend.

Es war Freitagabend. Unsere Nana hat die ganze Familie zum Abendessen eingeladen. Es gab keinen besonderen Anlass, sie wollt einfach ihre Familie zusammen haben. Meine Brüder hatten mir die Entscheidung überlassen, ob ich hin wollte oder nicht.

Ich war mir lange unsicher. Der Kontakt zu meinen Onkels und Tanten war sowieso nicht der Beste, aber ich wollte dann trotzdem hin. Es war trotz allem meine Familie und eine gute Übung mich wieder mehr unter Menschen zu trauen. Mir war bewusst, dass ich wahrscheinlich nicht viel Verständnis von ihnen für meine aktuelle Situation bekommen werde, aber das war auch okay. Ich war nicht hier um Zuspruch zu bekommen, sondern um weiter zur Normalität zurück zu finden.

Trotzdem machte mich das alles etwas nervös. Mason und die Zwillinge waren schon länger hier, während ich gerade erst mit Alex gekommen war. Liam war mit Freunden unterwegs, aber meine restlichen Brüder wollten alle kommen, beziehungsweise standen Coles und Mikes Autos bereits vor dem Haus. Etwas aufgeregt lief ich mit Alex durch die offenstehende Haustüre.

Es lief schon sehr viel Personal durch die Gegend die alles vorbereiteten. Langsam liefen wir in den Garten, wo sich schon ein Großteil unserer Familie aufhielt. Nach und nach sagten wir jedem Hallo, wobei ich mich sehr zurückhielt und mich nie weit von Alex entfernte. Ich spürte die fragenden Blicke der anderen auf mir und versuchte es so gut es geht zu ignorieren.

Mason und die Zwillinge saßen zusammen mit unseren Cousins abseits des Trubels. Eigentlich würde ich gerne zu ihnen gehen, aber ich fühlte mich noch nicht wirklich bereit. Zusammen mit Alex liefen wir zu Cole und Mike, die anscheinend etwas geschäftliches Besprachen und stoppten, als sie mich bemerkten. Sanft lehnte ich mich gegen Coles Brust, während dieser seine Arme um mich legte.

"Wie war es am Strand?", fragend sah Mike mich an. "Gut", erwiderte ich zufrieden. Alex war mit mir am Strand spazieren bevor wir her kamen. Es tat gut wieder den warmen Sand unter meinen Füßen zu spüren und das Rauschen des Meeres zu hören. Aber vor allem machte es mir bewusst, wie weit ich inzwischen schon gekommen war. "Ja, es wird langsam", sagte nun auch Alex.

"Sehr gut. Noch ein paar Tage, dann kannst du vielleicht wieder Surfen gehen", erwiderte Cole. Ich konnte es kaum abwarten wieder ins Meer zu gehe und zählte die Tage bis dahin.

"Willst du Mason und den Zwillingen gehen?", wechselte Mike das Thema, aber ich schüttelte nach kurzem Überlegen den Kopf. Ich fühlte mich gerade ganz wohl bei meinen Brüdern. Wir redeten ein wenig über alles Mögliche bis auch Jake zu uns kam und es kurz darauf essen gab. Ich fühlte mich von Minute zu Minute wohler und setzte mich nach dem Essen zu Mason und den Zwillingen.

Es war zu Beginn etwas komisch, aber ich gewöhnte mich daran. Ich war gerne bei meiner Oma zuhause, aber es war einfach nicht so wie bei uns zuhause. Und meine große Familie und das ganze Personal machte das alles auch nicht wirklich leichter. Immer wieder lief ich zu meinen älteren Brüder und hielt mich etwas bei ihnen auf, bevor ich wieder zu Mason und den Zwillingen lief. Es war ein ständiges hin und her bis ich mich irgendwann wohl genug fühlte und bei Luke, Dylan, Mason und den anderen sitzen blieb.

"Mila, setz dich doch zu uns. Wir haben uns heute noch gar nicht unterhalten", hörte ich irgendwann die Stimme meiner Tante May. Sie saß zusammen mit Bart alleine auf der großen Couch im Garten. Von meinen anderen Brüdern fehle jede Spur, wahrscheinlich waren sie noch im Haus. "Du musst nicht", sagte Luke sofort, aber ich schüttelte den Kopf. Es war nur meine Tante und mein Onkel und inzwischen fühlte ich mich wohl genug, mich frei zu bewegen.

Ich lief zu ihnen und setzte mich auf die Couch. Sofort begann meine Tante May zu reden, während sich Bart überraschenderweise sehr zurück hielt. Allerdings redete sie über Themen, die mich nicht wirklich interessierten und so meine Aufmerksamkeit immer weiter nachließ, bis mein Blick auf Ralf fiel. Er stand abseits von allen im Garten vor einem Tisch, auf dem er gerade eine Tasche abstellte.

Es war nicht schwer zu erkennen, was sich darin befand.

Sofort spürte ich, wie ich unruhig wurde. Meine Augen fixierten die Waffen, welche Ralf aus seiner Tasche holte und auf dem Tisch ablegte. Es waren normale, kleine Pistolen aber auch größere Maschinengewehre. Er sortierte sie feinsäuberlich nach Größe und legte Ersatzmunition daneben.

Ich spürte, wie meine Finger leicht zu zittern begannen und ich mir ganz flau im Magen wurde. Warum macht mir das alles nur Angst? Ich hatte erst mit Alex darüber gesprochen, aber trotzdem machte es mir nach wie vor Angst. Vielleicht hatte er Recht und ich musste mich einfach meiner Angst stellen, damit sie besser wurde. Aber wie? Ich kann keine Waffen in die Hand nehmen, das geht nicht. Alleine der Anblick löste Fluchtgefühle bei mir aus.

Wie soll ich mich dann dem stellen? Vielleicht war ich auch einfach noch nicht so weit und es war zu früh.

Ich konnte Ralf und seine Waffen keine einzige Sekunde aus den Augen lassen und war froh über die paar Meter, die zwischen uns lagen. Mir war bewusst, dass er seine Waffen auf keinen von uns richten würde und es eigentlich keinen Grund gibt beunruhigt zu sein, aber in der Realität sah das anders aus. Es machte mir einfach Angst und ich konnte es nicht ändern.

Unsicher und etwas überfordert sah ich zu, wie Ralf einige Meter weiter wie auch die letzten Male schon Ziele aufhängte und danach einer der Waffen in die Hand nahm. Er wird schießen, so wie immer.

War es das, was ich machen musste damit es besser wird? Soll ich hier bleiben und zuschauen? Kann ich das? Alleine das zu sehen brachte Angst in mir hoch und ich wusste nicht, ob ich hier bleiben kann, wenn Ralf wirklich schießt.

Aber vielleicht musste ich da durch, um mich wieder daran zu gewöhnen. Ich will mein Leben zurück, aber ich bekam von Sekunde zu Sekunde mehr Angst. Meine Umwelt war wie ausgeblendet und meine ganze Aufmerksamkeit lag auf Ralf. Wie das Maschinengewehr in der linken Hand hielt und mit der Rechten ein volles Magazin rein steckte. Wie ich trotz der Entfernung das klicken hörte, als er die Waffe entsicherte. Wie er das Maschinengewehr gegen die Kuhle unter seinem Schlüsselbein drückte und begann auf eines der Ziele zu zielen. Und, wie plötzlich ein lauter Schuss die Stille durchbrach...

Big Brothers 8Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt