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„Niemand sagt, dass es einfach ist, aber es lohnt sich. Aber auch selbst dann, wird es Zeit brauchen. Es wird dir nicht von heute auf morgen gut gehen, dass alles braucht Zeit. Jetzt schauen wir von Tag zu Tag und wenn es dir dann besser geht, können wir weiter nach vorne schauen. Aber im Moment brauchen wir nichts überstützen", sagte mein großer Bruder.

Ich konnte mir im Moment wirklich noch nicht vorstellen, wie es in 2 Wochen sein wird. Ich wusste noch nicht einmal, wie ich diese Woche voll vorbeibringen soll. Ich hatte einfach ständig so ein erdrügendes und belastendes Gefühl auf mir und es war, als würde es mir jede Freude rauben.

„Wie kommt ihr mit all dem klar? Auch wenn ihr immer sagt, dass es euer Beruf ist und ihr in anderen Situationen seid als wir Schüler, ihr seht doch trotzdem auch das ganze Leid und die toten Schüler. Macht euch das gar nichts aus?", fragte ich zögerlich. „Man gewöhnt sich daran. Es ist nie schön tote Menschen, vor allem tote Kinder zu sehen. Egal, ob sie erschossen, erschlagen oder sonst wie aus dem Leben gerissen wurden, aber je öfter wir das sehen, desto mehr gewöhnen wir uns daran.

Wir betrachten das alles auch anders. Du warst einen von ihnen, eine Schülerin. Ihr hattet alleine darüber eine persönliche Verbindung und du kannst dich mit ihnen identifizieren. Das macht es dir auch so schwer mit dem Tod klar zu kommen, auch wenn du die meisten nicht persönlich kennst.

Für uns ist dies aber nicht persönlich sondern rein beruflich. Es ist tragisch was passiert ist, aber solche Dinge passieren. Wir können das rational beurteilen und unsere persönlichen Emotionen dort raus halten. Würden wir das nicht können, wären wir ungeeignet für diesen Beruf. So hart es klingt, sind es für uns nur Opfer einer Straftat und wir werden dafür sorgen, dass die Täter dafür vor Gericht landen, während es für dich andere Schüler sind, Menschen mit denen du dich identifizieren kannst und die du vom Sehen her kennst.", beantwortete Mike meine Frage.

Ich würde das auch gerne so rational betrachten können und nicht immer an die Familien, die Trauer und das Leid denken müssen. Ich musste wirklich versuchen das abzuschalten. „Ist es nicht schwer, wenn ihr immer so Dinge seht? Die vermissten Mädchen. Jetzt das. Überall ist es gefährlich. Wie kann euch das so egal sein?", fragte ich weiter nach.

„Es ist uns nicht egal, aber wir beurteilen das einfach anders. Klar, ist es nicht immer leicht das alles zu sehen und mitzuerleben, aber das gehört auch dazu. Es ist immer wichtig eine gute Balance zu finden. Wir sollten es mit genügend Emotionen und nicht ganz kalt betrachten, aber auch rational genug, damit unsere eigenen Emotionen uns nicht beeinflussen.

Es passiert viel Schlimmes auf der Welt, aber genau deshalb machen wir diesen Job. Es kann nicht immer alles nur gut sein, aber wir können die Welt ein Stück weit besser und sicherer machen und das ist das, was mir machen und warum wir auch immer weiter machen.

Auch wenn du es oft nur mitbekommst, wenn etwas Schlimmes passiert, passiert auch viel Gutes. Wo du die erschossenen Schüler siehst, sehen wir auch die, die überlebt haben und zu ihren Familien zurückgekehrt sind. Das ist alles immer eine Frage der Perspektive".

Ich bemerkte immer mehr, dass meine Brüder eine ganz andere Sichtweise auf das alles hatten als ich. Doch so sehr ich auch versuchte, das alles wie sie zu betrachten, es funktionierte nicht. Vielleicht muss ich wirklich meinen eigenen Weg finden mit all dem zurecht zu kommen.

„Ich weiß nicht, wie ich mit all dem weiter machen soll. Egal was ich mache, alles ist komisch und fühlt sich nicht richtig an. Ich habe keine Lust auf Serie schauen, lesen oder mit der Switch zu spielen. Irgendwie ist alles zu viel", sprach ich leise meine Gedanken aus. „Das ist normal", erwiderte Mike, „dein Kopf ist voller Emotionen und Gedanken. Du hast schlichtweg keinen Platz mehr für neue Eindrücke, die beim Lesen oder Spielen entstehen, deshalb fällt dir das alles so schwer.

Big Brothers 8Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt