Ich will ausgehen und feiern

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Ich erzählte ihm davon, wie ich Eric kennen gelernt hatte. ,,Ich war sofort fasziniert von ihm und fühlte mich geschmeichelt, dass ein Mann, der 9 Jahre älter war als ich, Interesse an mir zeigte. Wir gingen aus und ich fing an ihn zu mögen. Er war ein Gentelman und er behandelte mich gut. Also kamen wir uns näher. Er lud mich zu sich nach Hause ein. Er hatte Essen für uns bestellt. Wir aßen, dann küssten wir uns und .. na ja, du kannst dir denken, was dann passiert ist. Nach dieser Nacht war ich mir fast sicher, dass er für mich bestimmt war. Ich war sehr in ihn verliebt und er machte mich glücklich mit der Frage, ob ich bei ihm einziehen wollte. Also kündigte ich meine Wohnung und zog zu ihm. Es lief gut für eine Weile und ich war zufrieden mit meinem Leben. Doch dann begann er Ansprüche zu stellen. Ich sollte mich nicht mehr mit anderen Männern treffen und ich sollte den kompletten Haushalt übernehmen. Er drohte immer wieder damit, dass er mich sonst verlassen würde. Also kam ich seiner Aufforderung nach. Ich dachte, es würde ihn damit glücklich machen. Als er von mir wollte, dass ich mein Studium aufgab, war ich kurz davor ihn zu verlassen. Doch er machte mir klar, dass ich ohne ihn nichts mehr hatte. Ich hatte kein Geld und ich hatte keine Wohnung. Ich war allein. Also tat ich das, was er von mir wollte. Ich blieb den ganzen Tag zu Hause, ging einkaufen, machte den Haushalt und kochte abends für ihn. Meine zwei besten Freunde, die einzigen, zu den ich noch Kontakt hatte, rieten mir immer wieder ihn zu verlassen, doch ich hatte zu viel Angst vor den Konsequenzen. Also blieb ich bei ihm."
,,Und jetzt bist du unglücklich?"
Aufmerksam sah er mich an, musterte meinen Gesichtsausdruck und nahm jede Gefühlsregung wahr.
,,Na ja, ich hab einfach Angst" erzählte ich weiter.
,,Ich hab Angst, dass mein Leben langweilig wird. Dass ich den ganzen Tag zu Hause sitzen werde und die Welt nur durch das Fernsehen sehe. Dass ich niemals reisen werde, keine eigenen Erfahrungen sammeln kann und die Welt nicht kennen lerne, nie etwas erlebe. Dass ich nie erfahren werde, wie es ist, richtig betrunken zu sein. Ich will so leben wie jeder andere in meinem Alter. Ich will ausgehen und feiern, ich will morgens mit einem furchtbaren Kater aufwachen und mir schwören, nie wieder zu trinken. Ich will wissen wie es sich anfühlt, wenn man die letzte Nacht bereut, weil man morgens merkt, dass man Nachrichten an seinen Ex geschickt hat. Ich will einmal in meinem Leben einen Filmriss haben. Ich will Erfahrungen sammeln. Ich hab Angst, etwas zu verpassen, wenn ich immer nur allein zu Hause sitze."

Als ich mit meiner Erzählung endete, herrschte Stille. Edward schwieg. Ich lag immer noch in seinen Armen und es war bequem. Ich sah zu ihm auf und bemerkte, dass er mich ansah. Seine Augen waren voller Mitgefühl und wir verstanden uns ohne Worte. Ich verstand, dass er keine Worte fand um auszudrücken, was er fühlte. Dass er nicht wusste, was er sagen sollte, aber dass er mich verstand und mit mir fühlte. Und ich hoffte, dass er verstand, dass ich ihm unendlich dankbar war, dass er mir zuhörte und für mich da war. Nach einer Weile des Schweigens, flüsterte ich irgendwann: ,,Edward, ich muss wieder Heim .. es ist schon spät!" Er seufzte und ließ mich los, damit ich aufstehen konnte. Nachdem ich dies getan hatte, stand er ebenfalls auf, legte sich seine Jacke über den Arm und nahm die leeren Pizzakartons in die eine Hand, mit der anderen ergriff er wieder meine und verschränkte unsere Finger miteinander. Ich war ihm dankbar dafür, denn es gab mir ein wenig Halt. Er führte mich wieder die Treppe herunter und schloss die Tür ab. Im Aufzug drückte er den unteren Knop und wir warteten geduldig, bis sich Fahrstultüren wieder öffneten. In der Eingangshalle entsorgte Edward die Pizzakartons. Mir blieben die Blickte, die die Frauen Edward zuwarfen nicht verborgen und ich versuchte den Kurzen Stich in meinem Herzen einfach zu ignorieren. Als wir endlich ins Freie traten, merkte ich erst wie kalt es geworden war und ich fröstelte ein wenig.
Edward bemerkte es natürlich und hielt mir seine Jacke hin. Dankbar schlüpfen ich in die viel zu großen Ärmel und kuschelte mich in sie. Am Ende der Straße blieben wir stehen und er rief mir ein Taxi. Ich drehte mich zu ihm. ,,Es tut mir leid, dass ich unser Date ruiniert habe" murmelte ich.
Jetzt hast du es doch Date genannt!
Er nahm mich fest in den Arm und flüsterte: ,,Das war das schönste Date, das ich je hatte".
Ich strahlte ihn an, als er sich von mir löste. Er lächelte und strich mir kurz über die Wange: ,,Bis bald, Bella!" Ich stieg in das Taxi als er mir die Tür öffnete. Und als er sie wieder schloss und das Taxi los fuhr, winkte ich ihm noch einmal. Und er blickte mir nach, bis das Auto um eine Kurve verschwand.

Ich fuhr schon ein paar Minuten, da bemerkte ich erst, dass ich noch Edwards Jacke trug. Wie sollte ich sie ihm zurück geben? Ich wusste ja noch nicht mal seine Nummer oder seine Adresse. Als ich meine Hände in die Jackentasche steckte, fand ich den Geldschein, den ich vorhin in seine Jacke gesteckt hatte. Mist, jetzt hatte er das Geld wieder nicht bekommen. Doch als ich den Geldschein raus holte, entdeckte ich, dass dort eine Handynummer notiert war und drunter stand ,,Ruf mich an!"
Das musste Edward darauf geschrieben haben.

Bis(s) du mich erkennstWo Geschichten leben. Entdecke jetzt