#04 - Der Plan

2.3K 155 20
                                    

Als ich Abernathys Büro verließ, beschloss ich, mein Handy endlich mal einzuschalten. Während es hochfuhr, schossen mir tausend Gedanken durch den Kopf. Ich hatte Abernathy nicht nach dem Gemälde gefragt, aber nach dem, was ich ihm zuletzt gefragt hatte, hätte er mir die Frage sicher nicht mehr beantwortet.

»Na dann wollen wir mal schauen«, murmelte ich, als ich den Code eingegeben hatte. Insgesamt hatte ich dreizehn Nachrichten und fünfzehn verpasste Anrufe in drei Monaten.

Während ich in die Richtung meines und Liz' Zimmer lief, checkte ich zuerst die Nachrichten. Acht waren von Liz, eine von Adrian und drei weitere von... meinem Vater. Überrascht klickte ich zuerst die Nachricht an, die er mir als erstes geschickt hatte.

Hallo Zoey.
Ich weiß , es ist eine Weile her und unser Verhältnis zueinander ist nicht gerade das beste gewesen, aber es wäre schön, wenn du meine Freundin kennen lernst. Bitte melde dich.

Ich keuchte entsetzt auf, als ich die Nachricht zu Ende gelesen hatte. Er wollte, dass ich seine Neue kennenlernte?! Hatte er sie nicht mehr alle? Wie konnte er mich das nur fragen?!

Schnaubend vor Wut klickte ich die Nachricht an, die er mir zuletzt geschickt hatte.

Du ignorierst mich gerade mit voller Absicht und ich kann dich deswegen verstehen, aber ich würde mich wirklich freuen, wenn du sie mal triffst. Sie würde dich auch sehr gerne kennenlernen und ihr könnt euch mal unterhalten.

»Lieber stürze ich mich die nächste Klippe runter«, knurrte ich mein Handy an. »Du bist echt das allerletzte...«

Für einen Moment überlegte ich, ob ich ihm schreiben sollte, dass er sich gefälligst aus meinem Leben raushalten soll und dass ich seine Schlampe nicht kennenlernen wollte. Aber dann schüttelte ich den Kopf, er würde es sowieso irgendwann merken, wenn ich ihm nicht antwortete.

Ich atmete tief durch, bevor ich Liz' Nachrichten anklickte, die älteste zuerst.

Zoey, ich weiß, dass du gerade eine Auszeit brauchst, aber bitte, ruf mich mal an. Wenn du willst, kann ich möglicherweise nach Irland fliegen und dich unterstützen.

Wenn du das nicht willst, kannst du dich auch einfach mal nur mal melden. Aber bitte, mach irgendwas. Du fehlst mir.

Zoey Ashton, ich meine das ernst. Ruf mich an. Heute noch.

Die nächsten hatten so ziemlich denselben Inhalt, also klickte ich weiter, bis ich bei der aktuellsten Nachricht ankam. Gleichzeitig kam ich auch an unserem Zimmer an. Während ich auf mein Handy starrte, stieß ich die Tür auf und las dabei die Nachricht.

Ich schreibe dir nur nochmal, um dir mitzuteilen, dass ich nun einen Auftrag habe, der möglicherweise länger dauern könnte. Wenn du wissen willst, worum es geht, dann schreibe mir heute noch. Denn ab morgen wirst du mich nicht mehr erreichen können. Ich weiß nicht, wann du zurückkommst, aber wenn du es tust, werde ich wahrscheinlich nicht da sein.

Augenblicklich sah auf und stellte fest, dass ihre Sachen nicht mehr dort waren. Sofort lief ich ins Bad, aber dort standen nur noch meine Sachen. Für ein paar Sekunden stand ich wie erstarrt im Bad und konnte nicht begreifen, dass sie schon länger nicht mehr hier gewesen war. Schnell las ich die SMS weiter.

Versuch gar nicht erst, mich zu finden. Es ist unmöglich – und gefährlich. Und ich habe mir diesen Auftrag selbst ausgesucht, was heißt, dass ich die volle Verantwortung dafür trage. Ich hoffe wirklich, dass du dein Geister Problem schon irgendwie in den Griff bekommen hast. Wenn nicht, dann versuch einfach dran zu bleiben. So machen das auch normale Menschen.
Wie auch immer. Ich hoffe wirklich, dass du mir nochmal schreibst.
- Liz.

»Dieses Mal hab ich echt scheiße gebaut«, sagte ich leise zu mir selbst.

»Ach, denkst du wirklich?«, ertönte plötzlich eine sarkastische Stimme hinter mir.

Ich wirbelte herum und entdeckte Adrian, der in der Tür stand. »Adrian, ich-«

»Nein«, unterbrach er mich sofort. »Entschuldige dich nicht..«

Verwirrt sah ich ihn weiterhin an. Seine blonden Haaren waren länger geworden, das fiel mir als erstes auf. »Warum nicht?«

»Liz ist wegen einem einem Auftrag gegangen und das ist deine Schuld«, warf er mir mit kalter Stimme vor.

»Ich weiß. Ich würde sie liebend gerne zurückholen, aber-«

»Aber was?«

Weil ich nicht wusste, was ich darauf antworten sollte, hielt ich den Mund. Er sah mich weiterhin mit steinerner Miene an, aber er zuckte nicht einmal mit der Wimper.

»Aber ich weiß nicht, wo sie ist«, beendete ich schließlich meinen Satz. »Geschweige denn, wie ihr Auftrag lautet.«

»Sie will den Mörder ihrer Familie finden«, meinte Adrian schließlich angespannt.

»Sie will was?«, stieß ich entsetzt hervor. Ich hatte mit allem gerechnet, aber das... »Das ist doch Wahnsinn!«

»Ich weiß. Ich wollte sie von der Idee abbringen, aber ich hatte keine Chance. Wärst du mal an dein Handy gegangen, wäre sie jetzt vielleicht noch hier!«, fauchte er. »Das ist deine Schuld, wenn sie auch noch draufgeht!«

»Nein, das ist nicht meine Schuld!«, zischte ich mit Tränen in den Augen zurück. »Und sie wird nicht draufgehen.«

»Natürlich ist es das nicht«, rief Adrian genervt. »Es ist nie deine Schuld, oder?! Ständig wollen alle, dass du in Sicherheit bist, aber was ist mit ihr, hm? Was ist mit den normal-sterblichen? Sind sie nicht wertvoll genug oder warum wollte Abernathy nicht, dass sie Wächter begleiten?«

Er war ziemlich aufgebracht, was ich auch irgendwie verstehen konnte. »Adrian, hör mir zu-«

»Nein, du hörst mir jetzt zu. Ich war bei ihr, als sie weggegangen ist. Ich war bei ihr, als sie mir sagte, dass sie den Mörder ihrer Familie finden will. Du warst es nicht, Zoey, du warst es nicht.«

Er hatte Recht, das bezweifelte ich keine Sekunde lang.

Liz hatte mich gebraucht. Ihre Familie war tot, sie hatte niemanden mehr. Und ich, vielleicht die einzige Person, die ihr irgendetwas bedeutete, hatte sie enttäuscht. Vor Wut und Frust war sie dann wahrscheinlich losgezogen und hatte somit etwas dummes getan. Und das war wirklich meine Schuld.

»Wie lange ist sie schon weg?«, fragte ich ihn mit kaum hörbaren Stimme.

»Seit zwei Monaten und es gab kein einziges Lebenszeichen von ihr.«

»Und warum hast du noch nicht angefangen zu suchen?«

Er sah mich ungläubig an. »Denkst du wirklich-«

»Okay, du hast angefangen«, unterbrach ich ihn schnell, um meinen Fehler wieder gut zu machen. »Was hast du bis jetzt?«


Eine halbe Stunde später saß ich mit Adrian im Speisesaal. Alle anderen waren bereits entweder beim Training oder sonst wo. Und wir besprachen gerade unseren absolut genialen Plan.

Also genial fand ihn jedenfalls nur Adrian. Ich, eher weniger.

»Wir wissen doch noch gar nicht sicher, dass sie da ist«, sagte ich gerade stirnrunzelnd. »Vielleicht war es nur ein Zufall.«

»Ein Zufall?«, wiederholte Adrian mit deutlicher Empörung in der Stimme. »Ich bitte dich. Es gibt keine Zufälle in dieser Welt.«

Ich rollte mit den Augen. »Okay, schön. Angenommen sie ist wirklich gerade in Deutschland... wie soll dein toller Plan aufgehen? Wir schnappen sie uns und zerren sie wieder nach England?«

»So in etwa – ja.«

»Abernathy wird mich nicht mitkommen lassen, vor allem nachdem, was in letzter Zeit alles passiert ist, aber ich kann dir trotzdem von hier aus helfen. Alex wird sicher bereit sein und Max ist auch eine gute Hilfe. Ryan-«

»Er wird sich nicht von mir überreden lassen«, erwiderte Adrian seufzend.

»Aber von mir vielleicht«, entgegnete ich. »Und ich habe auch schon eine Idee, wie wir es angehen können...«


Endless WhisperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt