#34 - Amanda Watson

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Als ich mich wieder halbwegs gefasst hatte, half ich abwesend einem blonden Mädchen in meinem Alter dabei, die Tische an die Seite zu stellen. Als wir fertig waren, stellte sie sich mir mit ausgestreckter Hand als Amanda vor. Ich schüttelte ihre leicht überrascht, lächelte höflich und nannte ihr auch meinen Namen.

»Oh, ich weiß natürlich wer du bist«, meinte sie dann aufgeregt. »Wir alle kennen dich.«

Was auch gar nicht gruselig war oder so.

»Gut zu wissen«, erwiderte ich und holte mein Handy aus der Tasche, um zu sehen, ob Ryan seine Mailbox schon abgehört hatte. Hatte er aber nicht. Enttäuscht steckte ich es wieder weg und sah auf, nur um festzustellen, dass Amanda mich beobachtete.

»Erwartest du eine Nachricht?«, erkundigte sie sich neugierig. Als sie meinen misstrauischen Blick bemerkte, fügte sie hinzu: »Entschuldige, das war unhöflich, oder? Ich bin neu hier und kenne mich noch nicht so super gut mit allen aus.«

Verständnisvoll nickte ich. »Schon okay. Ich bin hier auch erst seit ein paar Monaten.« Einerseits fragte ich mich, warum sie zu den Wächtern gekommen war. Andererseits wollte ich es nicht wissen, wenn es wieder ein schrecklicher Tod in der Familie war.

Als ob sie ahnte, was ich gedacht hatte, fing sie wieder an zu reden. »Mein Bruder Josh ist der Grund, wieso ich hier bin«, erklärte sie mir. »Er war der einzige, der sich um mich gekümmert hat.«

Bei dem Namen Josh wurde mir augenblicklich eiskalt. War es etwa möglich, dass es der Josh war, der mich den Venatori aushändigen wollte, im Gegenzug für seine Schwester, dessen Namen ich nicht kannte.

Nervös biss ich mir auf die Lippe. »Wie ist er gestorben?«, fragte ich sie vorsichtig.

»Vor ein paar Monaten in Irland, als er versucht hat mich zu befreien. Er wurde erschossen, genau in den Kopf. Es war nicht schön, das zu erfahren, als die Wächter mich befreit haben.«

Mitfühlend verzog ich das Gesicht, während ich mich gleichzeitig fragte, warum man ihr nicht die Wahrheit sagte. Er hatte sich selbst erschossen, wieso vertuschten sie es? »Das tut mir leid.«

Amanda setzte ein kleines Lächeln auf. »Schon okay. Nach seinem Tod hat mich nichts mehr in Norwich gehalten, also hab ich noch die Schule zu Ende gemacht und bin dann gleich hierher gezogen, um zu helfen. Abernathy hat mich sofort aufgenommen und ja«, sie breitete die Arme aus und lachte etwas, »hier bin ich. Und ich will Rache.«

»Na dann, herzlich Willkommen«, sagte ich und setzte einen Hauch von einem Lächeln auf. »Ein bisschen spät, aber besser spät als gar nicht, oder?«

»Genau. Und heute Abend habe ich die Ehre bei dem letzten Wächter Ritual dabei zu sein! Das wird so cool werden! Ich bin schon gespannt wie Skye darauf-«

»Amanda!«, unterbrach sie plötzlich einer der Wächter von der anderen Seite des Raumes. »Wir brauchen hier noch deine Hilfe. Danach will Abernathy dich sehen.«

»Ich komme sofort!«, rief sie zurück. Dann wandte sie sich nochmal mir zu. »Schön, dich mal persönlich kennengelernt zu haben. Wir sehen uns sicher heute Abend beim Ritual.«

Und schon war sie weg.

Sobald sie außer Sichtweite war, musste ich wieder an diese gruselige Vision denken, die ich gerade eben gehabt hatte. Jemand würde hier drinnen sterben, dessen war ich mir sicher. Aber wie konnte ich das verhindern? Und wen musste ich schützen? Ich musste es Ryan erzählen.

In dem Moment klingelte mein Handy. Es war Ryan, der mich endlich zurückrief.

»Das wurde aber auch Zeit«, rief ich und lief dabei aus dem Speisesaal. »Hast du deine Mailbox abgehört?«

Endless WhisperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt