#63 - Aufklärung.

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Liz nickte.

»Es wird noch hässlicher«, fuhr sie fort. »Denn wenn dein Wächter vor dir stirbt, verlierst du einen Teil deiner Seele. Ich habe gehört, dass es dich auseinanderreisen wird... von Innen nach außen. Qualvoll und langsam. Es wird sehr, sehr schmerzhaft sein.«

»Na dann hoffe ich mal, dass das nie passieren wird«, murmelte ich. Auch wenn ich fertig mit Ryan war, wollte ich noch lange nicht, dass er auch stirbt, wenn ich draufgehen sollte oder dass ich Todesqualen erleiden musste, wenn er zuerst starb.

Denn das war einfach unmenschlich.

Und falsch.

Verdammt falsch.

Wer zur Hölle hatte sich das überhaupt ausgedacht? Das ganze war einfach nur krank.

»Woher weißt du davon?«, fragte ich Liz und schob mir gleichzeitig Nudeln in den Mund. »Oder warte, vielleicht will ich das auch gar nicht wissen.«

Sie zuckte ratlos mit den Schultern. »Angeblich ist ein Wächter schon einmal vor etlichen Jahren zuerst gestorben. Der arme Junge, den der Wächter beschützt hat, litt sein restliches Leben lang unter einer Last, die ihn wahnsinnig gemacht hat. Er war kurz davor sich selbst zu töten, aber die Wächter haben das natürlich nicht zugelassen, denn die Sieben durften nur durch den natürlichen Tod sterben. Sie verbindet etwas und wenn ein Teil davon auf unnatürliche Weise stirbt, kriegen wir ein großes Problem.«

Darum also die ganze Geheimnistuerei: je weniger ich wusste, desto weniger Ärger konnte ich machen. Sonst würden sie mich wahrscheinlich wegsperren.

Nachdenklich starrte ich auf meine Nudeln. Auch wenn ich bis jetzt kaum was gegessen hatte, war mir der Appetit bereits wieder vergangen.

»Was genau passiert eigentlich, wenn eine der Sieben stirbt? Ich glaube jemand meinte, dass dann irgendwas ganz schlimmes passiert«, sagte ich. »Aber wozu genau sind sie eigentlich da? Ich meine, uns verbindet etwas, unsere Fähigkeiten schützen uns ein wenig mehr als bei anderen Menschen. Als ich damals in Italien von Jake entführt worden bin, meinte er, dass die Sieben der Schlüssel für die neue Welt sind. Und Adrian hat nach dem Feuer in der Schule gesagt, dass sie irgendein Ritual ausführen wollen...«

Liz legte ihr Besteck zur Seite und verzog das Gesicht. »Ich weiß nicht, ob ich dir das überhaupt erzählen darf«, gab sie zu. »Ich habe dir schon zu viel gesagt...«

»Ach, komm schon! Du weißt, dass du mir vertrauen kannst, Liz. Wirklich«, fügte ich mit fester Stimme hinzu. »Denkst du wirklich, dass ich gleich zu Abernathy renne und ihm erzähle, dass du tratscht?«

»Natürlich nicht! Ich vertraue dir vollkommen, Zoey. Ich will nur keinen Ärger, verstehst du? Das letzte Mal als etwas weiter getratscht wurde, musste der Verantwortliche das Land verlassen...du weißt ja, was das bedeutet. Und ich habe echt keinen Bock umgelegt zu werden, vor allem nicht in dieser Zeit.« Sie sah meinen fragenden Blick und seufzte. »Nicht nur die Sieben sind beliebt bei den Venatori. Auch Wächter, die sich abgewandt haben stehen ganz oben auf ihrer Liste. Sie wissen Dinge, die geheim sind. Und sie werden, wenn die Venatori sie erwischen, solange gefoltert, bis sie mit der Sprache rausrücken... du bist also nicht die einzige, die gejagt wird, glaub mir. Und wenn sie dich doch irgendwann bekommen, egal, wann und wo, sie werden dich nicht töten, oh nein. Sie werden dich festbinden und dir solange schmerzen zufügen, bis du dir wünscht, du wärst es.«

Jetzt wo sie es sagte, wurde es mir auch klar.

Natürlich hatte sie Recht. Die Wächter waren genauso in Gefahr wie ich. Wurden sie gefangen oder irgendwo festgehalten, konnten sie alles verraten, was sie wussten und das würde Abernathy nie dulden.

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