#99 - Ein alter Bekannter.

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Etwas riss mir die Decke vom Körper.

Ich stöhnte auf und blinzelte, nur um zu erkennen, dass eine dunkelhaarige Frau über mir stand. »Steh auf, wir brechen gleich auf«, war das einzige, was sie zu mir sagte, bevor sie wieder aus dem Zelt lief.

Ächzend streckte ich meinen Körper und bemerkte plötzlich, wie sehr ich eigentlich mal auf die Toilette müsste... wenn es hier eine geben würde. Geschlafen hatte ich vielleicht ein oder zwei Stunden, mehr waren nicht drinnen gewesen. Die Angst, Jake würde plötzlich hereinkommen und sich rächen oder sonst wer, war ständig da.

Langsam rappelte ich mich auf und fühlte meinen Kopf, der immer noch extrem pochte. Das Blut war inzwischen getrocknet und hatte sich auch auf das Kissen verteilt, das nun ruiniert war.

Meine Blase drückte erneut und ich bekam bereits Bauchschmerzen, also trat ich aus dem Zelt. Alle waren schon auf den Beinen und packten die beiden anderen Zelte ein. Zwei Venatori - die Frau von gerade eben und noch ein Mann - standen vor meinem Zelt und blickten sofort zu mir.

»Ich müsste mal pinkeln«, teilte ich ihnen mit.

Die beiden tauschten einen kurzen Blick aus. Die Frau nickte schließlich. »Von mir aus.«

Sie griff ihre Hand um meinen Arm und führte mich an den Venatori vorbei, die gerade ihre Sachen wieder in den Jeep luden. Alle starrten mich an, aber keiner der Gesichter kam mir bekannt vor. Die Sonne ging gerade auf und es wurde beiklein wärmer. Die Nacht war echt ungemütlich gewesen und die Decke, auf der ich geschlafen hatte, hatte meinem Rücken auch nicht gerade gut getan.

Die Frau und ich liefen hinter die Jeeps, wo sich keiner befand und wir liefen noch ein Stück weiter. Dann hielt sie an und holte etwas aus einer braunen Umhängetasche, die sie über die Schulter trug. Sie reichte mir ein paar Taschentücher und ein Feuerzeug.

Fragend sah ich sie an. Was sollte ich mit dem Feuerzeug?

»Wenn du fertig bist, zünde das Papier an und bedecke alles mit Sand. Wir wollen ja nicht noch unnötig Tiere herlocken«, erklärte sie mir, als würde sie mit einem kleinen Kind reden. »Und ich sehe es, wenn du scheiße damit bauen willst, also lass es lieber bleiben.«

Um ehrlich zu sein, wollte ich wirklich nur mal meinen Bedürfnissen nachgehen, aber ihr würde ich das sicher nicht sagen, also nahm ich die Tücher und das Feuerzeug wortlos entgegen und ging ein paar Schritte weiter.

Zwanzig Minuten später saß ich wieder im Jeep und stopfte mir dünnes Fladenbrot in den Mund, das mir die Frau ebenfalls gegeben hatte. Würde sie nicht ein Teil der Venatori sein, käme sie mir nett vor.

Weder Jake noch Clara hatte ich seit gestern gesehen. Ich wusste nicht, ob das ein gutes oder schlechtes Zeichen war.

Wir fuhren weiter in Richtung der Pyramide. Mit jeder Minute wurde es wärmer und ich wünschte mir duschen zu können oder überhaupt zurück nach England zu kommen. Von den Wächtern gab es kein Zeichen... sie suchten sicher schon nach mir, aber würden sie mich auch finden?

Ich hatte das Gefühl, je weiter wir durch die Wüste fuhren, desto weiter weg waren auch die Wächter.

Die Fahrt verlief etwas ruckeliger als gestern, da wir nun runter fuhren und nicht mehr nur geradeaus. Mein Kopf brummte noch immer, aber ich war froh, dass ich immerhin etwas zu essen und trinken bekommen hatte, was nicht vergiftet war... man konnte ja nie wissen.

Je näher wir der Pyramide kamen, desto besser konnte ich erkennen, dass davor etwas riesiges weißes aufgestellt worden war - ein Zelt vielleicht? Als wir schließlich ankamen, klebte mein Blick an dem riesigen Bauwerk. Ich stellte mir vor, wie etliche Menschen Steine hierher schleppen mussten und sie versklavt worden sind, um das zu erbauen.

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