#02 - Unhöfliche Typen im Anzug.

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Am Abend zog ich meine Reisetasche unter dem Bett hervor und warf sie dann achtlos auf meine Bettdecke. Als nächstes lief ich zu meinem Kleiderschrank und schnappte mir alles, was ich tragen konnte und warf es in die Tasche.

Irgendwie erinnerte mich das daran, wie alles angefangen hatte. Wie meine Eltern sich gestritten hatten und Mom und ich dann in ein Hotel mussten, weil mein Vater uns rausgeschmissen hatte. Da hatte der Hass erst richtig angefangen. Ab da hatte ich außerdem gewusst, dass wir niemals eine normale Familie sein konnten.

Plötzlich klopfte es an der Tür. Ich drehte mich um und rief »Komm rein!«, bevor sich die Tür öffnete und Ryan reinkam.

»Hey«, begrüßte ich ihn. »Ich packe gerade. Was gibt's denn?«

Er schloss die Tür hinter sich, lehnte sich dann lässig an der Wand an und verschränkte die Arme. »Morgen geht's zurück«, sagte er nun. »Die Schule geht bald wieder los.«

»Danke für die Erinnerung«, erwiderte ich seufzend. »Ich kanns kaum erwarten...«

Er lachte kurz. »Kann ich mir vorstellen.«

Da er schwieg, nahm ich an, dass er einfach vorbei kommen wollte, um zu schauen, ob ich schon bereit war, wieder zurück in den Alltag zu kommen.

»Du wirst viele von ihnen sehen werden-«

»Ich weiß, Ryan.«

»und ich bin mir nicht sicher-«

»-ob ich das schaffen werde?«, ergänzte ich. »Ich muss es einfach versuchen, schätze ich. Den Schalter abzustellen muss warten, solange ich nicht weiß, wie. Mom weiß es nicht, sonst hätte sie Lauren das ja auch schon am Telefon gesagt.«

Oder sie will mich einfach leiden sehen, sagte eine nachdenkliche Stimme in meinem Hinterkopf.

Nein, das würde sie nicht tun. Sofort fühlte ich mich schlecht, dass gedacht zu haben.

»Vielleicht willst du auch erstmal nicht wieder in die Schule gehen«, meinte Ryan langsam und löste sich von der Wand. »Es könnte zu viel sein.«

»Nein, ich werde hingehen«, erklärte ich ihm. »Es ist mein letztes Schuljahr. Ich werde meinen Abschluss machen.«

»Na schön. Aber wir werden immer in deiner Nähe bleiben. Zur Sicherheit«, fügte er hinzu.

Ich nickte. »Okay, ich verstehe das. Ich habe nämlich nicht wirklich Lust, dass man mich schon wieder entführt.«

»Ja, das könnte problematisch sein«, gestand er mir.

Ich lachte leise. »Wenigstens hast du deine Krücken nicht mehr.«

»Und du deinen Verband nicht.«

»Richtig. Weil der mich vom weglaufen auch ziemlich behindert hätte«, meinte ich ironisch und widmete mich dann wieder meine Tasche zu.

»Wir treffen uns morgen um halb sieben zum Frühstück«, informierte er mich noch nach ein paar Sekunden schweigen.

»Okay, das werde ich wohl schaffen«, entgegnete ich. Er wandte sich bereits der Tür zu, drehte sich aber nochmal um. »Schlaf gut.«

»Danke, du auch.«

Kurz darauf war er bereits verschwunden. Während ich weiterpackte, dachte ich über seine Worte nach. Wenn ich morgen zurück flog, würde ich viele von ihnen sehen. Es würde hart werden, sie alle zu ignorieren, aber ich würde es versuchen. Schließlich musste ich nun sowieso damit klar kommen, egal, wo ich mich befand.

Außerdem konnte ich mich, wenn ich zurück in Ashford war, wieder um das schwarze geheimnisvolle Kästchen und die Adresse in Manchester kümmern, die in dem Code versteckt gewesen ist. Irgendwie musste ich in die Kirche kommen, aber wie sollte ich das machen, wenn mich ständig jemand beobachtete oder die Venatori mich sowieso schnappen wollten oder ich Geister sehen konnte.

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