#55 - Alles, was ich nie sein wollte

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Sobald er meinen Namen sagte, wusste ich, dass es vorbei war.

Ich zögerte nicht, sondern wollte zur nächstbesten Tür rennen, aber Payne machte blitzschnell eine Handbewegung und alle Türen schlossen sich synchron, ehe ich ankam. Die Tür, die zum Nebenzimmer führte, war abgeschlossen. Ich rüttelte, aber sie bewegte sich keinen Millimeter. Ich konnte hier nicht weg.

»Dachtest du wirklich, ich hätte es nicht gemerkt?«, fragte er mich höhnisch. »Der Ohrstöpsel und dein Mikrofon kannst du übrigens vergessen. Die Sicherung brennt gerade durch...«

Mein Ohr begann heiß zu werden. Sofort holte ich den Kopfhörer aus meinem Ohr und warf ihn auf den Boden. Er glühte und ein paar Funken sprühten daraus. Mein Herz begann zu pumpen. Langsam drehte ich mich um. Payne saß immer noch auf dem Sofa, angespannt und ein Glas in der Hand.

Verdammt, was sollte ich jetzt tun?! Meine Tarnung war aufgeflogen und ich war ganz alleine mit ihm. Außerdem war er viel kräftiger als ich und hatte wahrscheinlich mehr Beherrschung über seine Fähigkeiten als ich.

»Woran haben Sie es gemerkt?«, erwiderte ich schließlich atemlos.

War es mein Verhalten gewesen? Oder hatte es an dem Armreif gelegen?
Ein leichtes Grinsen umspielte seine Lippen, als er aufstand und langsam auf mich zuging. Gleichzeitig wollte ich zurückweichen, aber da dort die Tür war und ich nicht hindurch konnte, hatte ich keine andere Wahl als zu zusehen, wie er mir immer näher kam.

»Du hast wohl vergessen, wer ich bin«, lautete seine Antwort. »Die Nummer mit dem Armreif war nicht schlecht, das muss ich zugeben. Aber gegen meine Fähigkeiten ist das nichts.« Er blieb etwa einen Meter vor mir stehen und musterte mich. »Ich kann in manche Köpfe sehen, Zoey Ashton. Und als ich in deinen gesehen habe, konnte ich große Furcht sehen und eine unendliche Leere, die dich zu zerfressen scheint. Du hast es versucht zu verbergen, das tust du jetzt noch, aber wir wissen beide, dass es so ist.
Ich habe mich gewundert, Zoey. Die echte Samira ist verlobt, erfolgreich und hat ein gutes Leben, warum sollte sie sich dann so schlecht fühlen? Also habe ich weitergesucht und gesehen, dass es gar nicht Samira ist, dessen Kopf ich durchsuche. Aber als ich rausgefunden habe, wen ich da wirklich vor mir hatte...«, jetzt vertiefte sich sein Grinsen noch, »da musste ich einfach mitspielen. Du hast deine Rolle überzeugend gespielt, niemand hat gemerkt, dass du es warst, Zoey. Aber ich schon.«

Bevor ich reagieren konnte, griff er nach meinem Arm und zog mit einem Ruck den Armreif hinunter. Prompt verschwanden die Kopfschmerzen und ich konnte endlich wieder aufatmen. Natürlich versuchte ich das zu verstecken, aber er bemerkte es trotzdem.

»Es ist schmerzhaft, nicht wahr? Sich zu verwandeln...«, meinte er fasziniert.

Möglichst unauffällig versuchte ich mich nach einer Waffe umzuschauen. Das nächstebeste Objekt dafür war eine Vase, die etwa drei Meter von der Tür entfernt auf einer Kommode stand. Payne durfte nicht sehen, dass ich die Vase visierte, also sah ich zu ihm und redete, um ihn abzulenken und ging gleichzeitig Zentimeter für Zentimeter nach rechts.

»Man gewöhnt sich an den Schmerz«, sagte ich. »Es ist immer eine Frage der Zeit, bis du dich zurückverwandelst.«

»Das ist wahr. Aber wusstest du auch, dass man sich nur dreimal verwandeln kann, ehe der Gegenstand deine Gestalt annimmt?«

Ich hielt kurz Inne. Sagte er die Wahrheit? Wenn jetzt jemand anderes den Armreif aufsetzte, sah er dann aus wie ich?

Payne kam mir noch etwas näher. Nun sah ich auch, wie gelb seine Zähne wirklich waren. »Ja, es stimmt«, bestätigte er, erfreut, dass er meine Angst spürte.

Endless WhisperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt