#109 - Chaos

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Ryan hatte sowas von falsch gelegen. Ich konnte meine Macht nicht kontrollieren, das hatte ich gerade bewiesen.

Fassungslos sah ich zu, wie das Feuer sich in die Steine fraß und wie der Stein an mehreren Stellen nach unten sank. Natürlich wusste ich, dass keine normalen Flammen so etwas bewältigen konnten, aber wie zur Hölle sollte sonst auf einmal die ganze Pyramide beben?

Da ich - und alle anderen - zu Boden geworfen worden sind durch das Beben, krabbelte ich an den Rand der Plattform und versuchte herauszufinden, wohin die Flammen gingen. Es schien nämlich so, als ob sie sich alle gelenkt nach unten bewegten.

Tatsächlich schien ich recht zu behalten: sie flossen und tropften zu Boden, aber alle in einem bestimmten Radius. In einem rasend schnellen Tempo bildeten sie einen Kreis, dann flossen sie in den Boden.

Zu meiner Überraschung gab der Stein nach. Es krachte laut, aber ich konnte meinen Blick nicht davon abwenden. Entsetzt starrte ich nach unten, wo sich nun ein riesiges Loch befand, bei dem kurz zuvor noch fester Boden gewesen ist.

Doch statt dem Stein sah ich nur eine schwärze, die unendlich tief war. Die Flammen waren nun endgültig verschwunden, aber das Beben hatte nicht aufgehört. Die ganze Pyramide hörte sich an, als würde sie auseinanderfallen.

Tatsächlich brachen schon die ersten Steine auseinander und fielen in einem ungeheurem Tempo von der Decke in Richtung Boden. Als einer von ihnen auf mich zu raste, konnte ich mich gerade noch beiseite rollen, bevor er da einschlug, wo ich gerade zuvor noch gelegen hatte.

»Wir müssen sofort hier raus!«, rief eine laute Stimme über meinen Kopf hinweg. Kurz darauf zogen mich zwei Hände hoch und ich stand wieder fest auf beiden Füßen.

Ein Blick nach rechts verriet mir, dass es Ryan war, der mich nun Richtung Treppe zerrte. Vor uns humpelte Zack, der von Hayden gestützt wurde. Aber... hatte ich nicht gerade seine Wunde geheilt? Mein Blick wanderte zu seinen Beinen und tatsächlich: er hatte eine Wunde an seinem Bein und es sah nicht gut aus.

Ryan und ich holten sie auf. Sofort stützte ich Zack von der anderen Seite aus, damit wir schneller vorankommen. »Was ist passiert?«, fragte ich Hayden atemlos.

Sie biss sich auf die Lippe, starrte nur auf die Treppen, damit sie keine übersah. »Ein Stein ist direkt auf seine Wade gefallen, als wir durch das Beben zu Boden gefallen sind«, erklärte sie mir hektisch. »Wenn wir erstmal hier raus sind, werden wir uns schon darum kümmern.«

Ihre Stimme klang ziemlich besorgt, auch wenn sie versuchte, es zu unterdrücken. Hayden und Zack waren schon ein paar Jahre zusammen, das wusste ich, und sie bedeuten sich gegenseitig sehr viel. Ich konnte und wollte mir nicht vorstellen, dass wenn Zack stirbt, wie schrecklich Hayden es dann gehen würde.

Wir hatten schon zu viele verloren... mehr konnte keiner von uns ertragen.

Während wir die Treppen hinunterstiegen, hörte ich viele Schreie, die von unten kamen und beobachtete, wie einer der Geister den Kopf in den Nacken gelegt hatte. Es schien, als würde eine unsichtbare Kraft ihn so festhalten und zwingen, den menschlichen Körper zu verlassen.

Im nächsten Moment sah ich, wie der Körper zusammenbrach und leblos umfiel. Aus dem Körper stieg eine transparente Gestalt - ein junger Mann, altmodisch gekleidet - der mit panischem Gesicht zu dem Loch gezogen wurde. Er schrie und versuchte sich zu wehren, aber es war wirkungslos. Ohne sich dagegen wehren zu können, flog sein Geist in die Dunkelheit des Loches und verschwand.

Ihm folgten weitere. Viele Körper fielen zu Boden, ihre Schreie gingen bei dem nächsten Krachen der Steine unter. Trotzdem sah ich, wie auch ihre wahren Gestalten ihre besetzten Körper verließen und schließlich in das Loch fielen.

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