#44 - Die Zeit vergeht

1.8K 114 19
                                    

Die nächsten Wochen liefen nur so an mir vorbei.

Jeden Tag kam ich erschöpft von der Schule ins Quartier, nur um dann kurz etwas zu essen und mich dann ins Training zu stürzen. Jeden Tag drang Sheperd in mein Gehirn ein, testete ob ich bereits so stark war, dass andere nicht mehr in meine Gedanken eingreifen können. Leider war es noch nicht so weit. Ich übte viel, sehr viel und ich konnte nach ein paar Tagen schon meine Gedanken ab und an mal abschirmen, aber gegen jemand so geübten wie Sheperd kam ich nicht an. Er war der absolute Profi. Auch wenn er mich immer anschrie, dass ich es besser könnte und es mir total auf die Nerven ging und mich stresste, half es tatsächlich. Weiterüben musste ich natürlich trotzdem.

Skye war wieder in Irland. Die Abreise war ihr schwer gefallen, aber sie wusste, dass es der beste Weg war, um ihre Familie zu schützen und den Venatori kein weiteres Ziel in einer Stadt zu sein. Cedric und noch ein paar andere Wächter aus Irland sind mit ihr geflogen. Alles verlief reibungslos.

Nur der Abschied hatte mir innerlich Schmerzen gegeben. Sie stand nun nicht mehr in meiner Obhut, die Wächter waren nun zu hundert Prozent für sie verantwortlich. Klar, sie hatte mir noch ihre Telefonnummer gegeben, falls sie mich etwas fragen wollte, aber es war eben nicht dasselbe, wie als wenn man persönlich miteinander spricht.

Als Skye weg war, bekam ich die anderen auch kaum mehr zu Gesicht. Ryan war für einen wichtigen Auftrag nach London geflogen, Liz und Adrian saßen stundenlang vor dutzenden Blättern und sahen die Blätter durch, die Max recherchiert und ausgedruckt hatte. Zack und Hayden hatten sich dran gemacht, einen Plan auszudenken. Ich hatte Hayden ja meine Hilfe angeboten. Zunächst hatte sie abgelehnt, weshalb ich nur noch mehr darauf beharrte.

Also hatte sie irgendwann geseufzt, bis sie meinte, dass sie mir Bescheid geben würde, wenn ich etwas tun konnte. Damit hatte ich mich erstmal zufrieden gegeben.

Meine Mutter sah ich in den vergangenen Wochen fast gar nicht. Wir hatten immer noch nicht miteinander gesprochen. Ich war immer noch sauer und meidete sie deswegen. Bei meinem Vater und seiner neuen schwangeren Freundin war es genauso. Sie meldeten sich nicht, ich auch nicht. Damit war das Thema vorübergehend vom Tisch.

Wen ich auch nicht gesehen habe, worüber ich übrigens sehr froh war, ist Josh. Das Lavendel-Parfüm, dass mir Hayden noch an dem Tag an Skye's Abreise besorgt hatte, wirkte. Ich sah Josh nicht, genauso wie die Frau, die mich andauernd gefragt hatte, wo ihre Tochter sei.

Auch den Geist in der Schule sah ich kein einziges Mal. Mr Conners benahm sich normal und ich fragte mich, ob ich vielleicht etwas zu misstrauisch gegenüber ihm gewesen war. Ich hatte ihn in den vergangenen Wochen beobachtet, aber er hatte sich weder verdächtig noch zu unauffällig verhalten. Isaac dagegen, mein Mitschüler der mir erzählt hatte, dass Mr Conners gruselig war und wahrscheinlich ein Mörder, hing wieder mehr mit seinen Freunden ab. Ich dagegen blieb in der Schule wie immer mehr für mich. Ich hatte im Quartier nun mehr Hausaufgaben gemacht als sonst überhaupt in meinem ganzen Leben und ich beteiligte mich auch mehr am Unterricht. Schließlich war es mein letztes Schuljahr und irgendwie musste ich ja einen guten Abschluss schaffen.

Alles verlief relativ normal, wenn man davon ausgeht, dass eine der wichtigsten Personen der Welt zu sein, normal wäre. Trotzdem sah mein Alltag nicht gerade besonders aus. Früh aufstehen, zur Schule gehen, Nachmittags dann das drei bis vierstündige Training und Abends setzte ich mich dann fix und fertig an meine Schulaufgaben, bis ich dann innerhalb von zwei Sekunden einschlief.

Aber an dem einem Abend war etwas anders.

Ich saß auf dem Stuhl vor Liz' Schreibtisch, den sie nie nutze. Dutzende Blätter waren auf dem Holz verteilt und ich musste mich zusammenreißen nicht einzuschlafen. Morgen schrieb ich eine Bio Klausur, die ich nicht verhauen durfte. Ich lernte schon seit ein paar Tagen dafür, aber ich konnte mich einfach nicht richtig darauf konzentrieren. Das lag zum Teil daran, dass heute die Trainingsstunden besonders hart gewesen waren. Mein Kopf schmerzte noch und ich hatte schon Aspirin genommen, auch wenn das wahrscheinlich eher wenig brachte. Es waren ja auch keine gewöhnlichen Kopfschmerzen.

Endless WhisperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt