#68 - Rausch

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»Ich warte hier«, teilte Isaac mir mit, als wir vor dem Cafè hielten.

Meine Lippen verzogen sich zu einem kleinen Lächeln. »Bis gleich.«

Nachdem ich mir meine Krücken gegriffen hatte, stieg ich aus dem Wagen und schlug die Tür hinter mir zu.

Das Café war dasselbe, wo ich auch mal mit Adrian gewesen bin, bevor ich ihn abgehängt hatte und meine Mutter befreien wollte, die aber niemals entführt worden war.

Welch Ironie, dass sie jetzt genau in diesem Café saß.

Mom saß an einem runden Tisch ganz hinten. Während ich ihren Tisch ansteuerte, bemerkte ich, dass sie auf ihrem Handy herumtippte.

»Hey«, begrüßte ich sie, als ich ankam und setzte mich gegenüber von ihr.

Sie hob den Blick und für einen Moment glaubte ich einen Funken Abneigung zu sehen. Ehe ich mich versah, war er bereits verschwunden. Wahrscheinlich hatte ich ihn mir nur eingebildet.

Ein Lächeln zierte ihre Lippen. »Hallo, Zoey. Wie war dein Tag?«

»Gut. Was hast du die letzten Stunden gemacht?« Ich beugte mich vor und sah ihr ganz genau in die Augen. »Warst du nur hier?«

Mom nickte. »Ja, war ich.«

Erleichtert atmete ich auf. Die Manipulation hatte gewirkt. »Gut, sehr gut. Nun, vergiss das wieder. Wir beide waren die ganze Zeit in der Bibliothek mit Isaac gewesen«, sagte ich betont langsam. »Wir haben für die Schule über die russische Revolution Bücher durchgeguckt, sonst nichts, okay?«

»Ja«, murmelte sie. »Das haben wir.«

Zufrieden nickte ich. »Genau. Jetzt muss ich dich nochmal um etwas bitten: ich werde wahrscheinlich die ganze Nacht unterwegs sein... hast du einen Ort, wo du hingehen kannst, wo die Wächter dich nicht sehen? Sie dürfen nicht wissen, dass ich ohne dich unterwegs bin.«

Sie schien einen Augenblick nachzudenken. »Ja, ich kenne einen Ort.«

»Perfekt.« Erst da bemerkte ich, dass sie ihr Handy gerade versuchte unauffällig in ihre Tasche verschwinden zu lassen. »Wem hast du geschrieben?«

Ihre Lippen begannen zu zittern. Mein Blick fiel auf ihre Narbe. »Wo hast du die Narbe her?«, schob ich hinterher.

Eigentlich wollte ich nur das nötigste manipulieren, aber es war einfach zu verlockend. Ich musste es wissen.

»Maximilian«, antwortete sie schließlich, als würde es ihr nur schwer über die Lippen kommen.

»Max?«, wiederholte ich überrascht.

»Er fragt mich, ob ich weiß, warum du dich so komisch verhälst.«

Ich runzelte die Stirn. Verdammt, das hatte ich ganz vergessen. Max hat wohl beim Telefonat gemerkt, dass irgendwas nicht stimmt. Ich grub das Gesicht in die Arme. Für ein paar Sekunden verharrte ich so, bis mir wieder in Erinnerung kam, dass wir in einem Café saßen. »Na schön. Du musst mich morgen früh wieder abholen, ja? Mach, was du willst, solange du nicht in die Nähe der Wächter kommst. Wenn sie dich anrufen, geh ran und sag, dass wir zu Dad fahren um mit ihm zu reden. Du musst überzeugend sein, ja?«

»Ja.«

Ihr Gesicht war ausdruckslos und zeigte keinerlei Regung. Sie schien geistig wirklich abwesend zu sein.

Ich beugte mich ein wenig weiter zu ihr hin. »Tut mir leid, dass ich das mache, aber ich habe keine andere Wahl«, meinte ich leise. »Du wirst dich an das hier nicht erinnern, aber ich will, dass du weißt, dass du, trotz der schlimmen Dinge, die du getan hast, ich dir vergebe. Wir haben nicht gerade das beste Verhältnis, aber du wirst immer meine Mom sein, egal was passiert, okay?«

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