#09 - Ehrlichkeit währt am längsten.

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Als wir im Quartier ankamen, gingen wir zuerst zum Speisesaal. Hayden begegneten wir im Flur, sodass wir dann zu dritt weitergingen. Jedoch setzte ich mich nicht zu den beiden, sondern zu meiner Mutter, die mit noch jemandem an einem Tisch saß.

Vorher hatte ich mir noch Nudeln geholt und etwas zu trinken. Nun lief ich auf den Tisch zu, woran Mom und eine blonden Frau saß, die ich, wenn ich mich nicht irrte, schonmal hier gesehen hatte.

»...müssen es rechtzeitig wissen, damit wir keine Probleme bekommen und absolute Sicherheit herrscht«, sagte die blonde Frau gerade, als ich ankam. »Wenn dir irgendwas auffällt, sag mir sofort Bescheid.« Dann sah sie mich und hörte sofort auf zu reden. Nun schaute Mom mich auch an. »Zoey«, meinte sie überrascht, aber erfreut. »Setz dich.«

Ich setzte mich, während die Wächterin Mom noch einmal zunickte und dann aufstand und davonging, ohne mich noch ein zweites mal anzusehen.

»Ich brauche deine Unterschrift.«

»Wofür?«

»Für einen Schulausflug nach Manchester«, erklärte ich ihr, ohne großartig drum herum zu reden.

»Nein.«

Verwirrt starrte ich sie an. »Nein?«, wiederholte ich fragend.

»Nein, ich werde nicht unterschreiben«, erwiderte sie und hatte wieder ihren ernsten Ausdruck auf dem Gesicht.

Entsetzt klappte mir der Mund auf. »Was? Wieso nicht?«

»Weil du hier am sichersten bist.«

Ich schnaubte empört. »Seit wann kümmerst du dich um meine Sicherheit?«, stieß ich verächtlich hervor.

»Ich wollte mich verbessern, wie ich dir schon erzählt habe, und das wird der erste Schritt sein; du gehst nirgendwo hin außer in die Schule.«

Sollte das aufrichtig wirken? Sollte das ehrlich sein? Ich wollte ihr glauben, das wollte ich wirklich, aber etwas in mir ließ das nicht zu. Etwas in mir konnte es einfach nicht glauben, auch wenn ich es wollte. Es ging einfach nicht.

»Wieso?«, brachte ich schließlich hervor. »Ich verstehe nicht, warum. Ich meine... all die Zeit früher, da war ich dir doch egal gewesen. Warum heute? Warum jetzt?«

»Ich möchte ehrlich sein«, sagte sie langsam.

»Okay, dann können wir ja gleich damit anfangen, nicht wahr?« Ich lehnte mich in meinem Stuhl zurück und beachtete inzwischen mein Essen gar nicht mehr. »Wusstest du, dass Dad schon eine Neue hat?«, fragte ich sie und beobachtete dabei ganz genau ihr Gesicht.

Sie zog keine Miene, das musste man ihr lassen. Sie öffnete den Mund, schloss ihr dann aber wieder zögernd. »Ich wusste, dass er etwas mit jemandem am laufen hatte, aber ich wusste nicht, dass er schon jemand neuen gefunden hat«, lautete schließlich ihre Antwort.

Ich runzelte die Stirn. Sie klang ehrlich, aber ihr Gesicht war noch immer ausdruckslos. »Er hat mir geschrieben, dass ich sie kennenlernen soll«, fügte ich schließlich hinzu.

Etwas huschte eine Millisekunde lang über ihr Gesicht, es war kaum zu sehen. Vielleicht hatte ich mir den schmerzlichen Gesichtsausdruck auch nur eingebildet. »Und was hast du geantwortet?« Ihre Stimme klang nun kühl und distanziert.

»Bis jetzt noch nichts«, entgegnete ich. »Ich weiß nicht, ob ich die Einladung annehmen soll.«

»Tu das«, sprach sie plötzlich.

Fassungslos sah ich sie an. »Was?«

»Nehm sie an, Zoey. Das ist die einzige Möglichkeit wieder eine richtige Familie zu haben«, sagte sie und sah überallhin, nur nicht zu mir.

Endless WhisperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt