#82 - Süße Versuchung.

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Als ich Montag morgen durch die Schulflure ging, überkam mich wieder einmal diese Kälte.

Da ich wusste, was sie zu bedeuten hatte, bog ich zur Schultoilette ab und stellte sicher, dass außer mir niemand sonst drinnen war.

Und dann tauchte Marylin auch schon vor mir in ihrer Blutverschmierten Kleidung auf.

»Wart ihr in seinem Haus?«, fragte sie mich sofort, ohne noch mehr Zeit zu verschwenden.

»Ja waren wir. Dort haben wir genug Beweise, um ihn für immer hinter Gittern zu stecken.«

Sie schien sich darüber zu freuen. »Na endlich! Darauf warte ich schon viele Jahre. Ich hoffe das Angebot steht noch, dass ich ihn vorher quälen darf.«

Mein Mundwinkel zuckte. Selbstjustiz war in manchen Fällen gar nicht mal so übel.

»Natürlich. Also, unser Plan lautet wie folgt...«



In den nächsten Tagen passierte nichts.

Isaac, Isabelle und ich gingen zur Schule und taten so, als wäre nichts geschehen. Isabelle versuchte Conners zu meiden, aber er suchte sie mehrmals auf, grinste sie an oder flüsterte ihr etwas zu.

Sie brach jedes Mal in Tränen aus, als er weitergegangen war. Jedem fiel auf, dass etwas mit Isabelle nicht stimmte, jedoch sagte niemand etwas dazu.

Besonders schlimm war es in Mathe.

Er rief sie oft zur Tafel, lobte sie, auch wenn sie etwas nicht richtig machte und berührte sie immer unmerklich.

Dabei zuzusehen, wie sie gequält wurde, machte mich ganz krank, aber Isaac und ich mussten uns zurückhalten, sonst wäre alles umsonst gewesen.

Ryan und ich schmiedeten währenddessen einen ausgezeichneten Plan. Jedes Detail muss stimmen, daher brauchten wir auch einige Zeit dafür.

Wir verbrachten viele Stunden miteinander ohne persönlich zu werden. Ich blendete meine Gefühle für ihn komplett aus und konzentrierte mich voll und ganz auf unsere Mission. Falls er tatsächlich doch etwas für mich empfand, ließ er es sich nicht anmerken.

Es funktionierte solange, bis ich ihn einmal ausversehen am Arm berührte. Dann kam alles wieder hoch. Um zu verhindern, dass ich etwas dummes tat, meinte ich es reichte für heute und haute schnell ab.

Immerhin ging unsere Sitzung meist bis tief in die Nacht hinein.

Mittwochnacht war es soweit. Ryan und ich saßen in seinem Zimmer auf seinem Bett, Papier lag überall im Raum verteilt.

»Glaubst du, wir haben wirklich alles?«, fragte ich ihn gerade, als wir den Plan noch einmal komplett durchgegangen waren.

Es war ein Uhr Morgens und ich war mal wieder einmal todmüde. Wir saßen seit acht Uhr Abends in seinem Zimmer und ich hatte vorher noch trainiert.

Ryan sah sich das Blatt mit allen Notizen an und nickte langsam. »Ja, ich denke schon. Selbst wenn das schief geht, haben wir noch einen Plan B.«

So nahe wie die letzten Tage waren wir uns seit dem Gespräch im Auto, wo Ryan mir die Wahrheit über seinen Vater erzählt hatte, nicht mehr gekommen. Es fühlte sich gut an, das Vertrauen langsam wieder aufzubauen.

Außerdem hatte ich ihn verdammt nochmal vermisst.

Auch wenn er viel scheiße gebaut hatte - was ich übrigens auch getan hatte - bedeutete er mir sehr viel.

Okay, er bedeutete mir nicht nur viel, ich war in ihn verliebt.

Und das wusste er auch.

Damit waren wir wieder an dem Punkt angekommen, an dem wir vor ein paar Wochen schon waren. Es war wieder mal unklar, was genau zwischen uns lief.

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