#80 - Die Akten der Toten.

1.2K 94 11
                                    

Aus dem Spalt von Conners Schrank versuchte sich etwas weißes flauschiges zu befreien.

Und es miaute.

Eher überrascht als alles andere, sah ich fassungslos zu, wie sich eine weiße Perserkatze durch den Spalt quetschte. Sie sah sehr dünn und abgemagert aus. Ihr eigentlich weißes Fell war verschmutzt und verknotet.

»Alles okay?«, rief Ryan mir vom Nebenzimmer aus.

Er hatte wohl mein entsetztes Aufkeuchen gehört.

»Ja!«, rief ich zurück. »Ich hab nur gerade seine Katze gefunden.«

Diese sah nun zu mir hoch und fauchte mich an. Vorsichtig hockte ich mich hin und streckte langsam eine Hand nach ihr aus. Sobald meine Hand ihr Fell berührte, zuckte sie zusammen und zeigte mir ihre Zähne.

Voller Mitleid verzog ich das Gesicht. »Hat Conners dir das angetan? Hat er dich im Schrank eingesperrt und dich so behandelt?«, murmelte ich und strich mit zwei Fingern sanft über ihr zottiges Fell.

Natürlich antwortete sie nicht.

Als Ryan ins Zimmer kam, stand ich wieder auf. »Ich habe noch die anderen Zimmer angeschaut«, sagte er seufzend. »Nichts. Hast du hier noch was gefunden? Außer die Katze«, fügte er mit einem kurzen Blick in die Richtung der Perserkatze hinzu.

Ich schüttelte den Kopf. »Nein. Was sollen wir jetzt machen?«

»Als wir ins Haus gegangen sind, habe ich hinten einen Schuppen gesehen... vielleicht hat er die Waffe dort versteckt. Ich schaue dort nochmal nach. Du bleibst hier und wartest, bis Max dir sagt, dass du den USB-Stick rausziehen kannst, okay?«, forderte er mich auf.

»Okay, ich bleibe hier und komme dann raus, wenn ich den Stick habe.«

Es war besser so, vielleicht fand ich ja hier doch noch etwas. Zweimal nachzuschauen, konnte ja nicht schaden, oder?
Ryan schenkte mir ein leichtes Lächeln. »Ich beeile mich, versprochen.«

Auch wenn es immer noch seltsam zwischen uns war, seitdem Telefonat, würde er immer auf mich aufpassen und mich nie im Stich lassen. Und das bedeutete mir wirklich viel.

Er verließ den Raum und ließ mich alleine.

Naja, fast alleine.

Die Katze schmiegte sich an mein Bein, als ich sie noch einmal kurz streichelte. Ein schnurren entwich ihr und ich konnte nicht anders als die Stirn zu runzeln.

Wieso schaffte man sich ein Haustier an, nur um es dann zu misshandeln und wegzusperren? Das war echt schlimm.

Die weiße Perserkatze tapste nun zur Tür und drehte sich wieder zu mir, als würde sie sagen wollen: kommst du mit?

Ich folgte ihr aus Conners Schlafzimmer wieder in Richtung Arbeitszimmer. Statt jedoch hineinzugehen lief sie weiter zur Treppe, die nach unten führte. Dann sah sie mich aus fordernden Augen heraus an.

Wollte sie, dass ich sie hinunter trug? Naja, vielleicht wollte sie mir etwas zeigen.

Sie war so leicht, wog fast nichts.

Unten angekommen legte ich sie wieder ab. Kurz darauf begann sie sich an die Wand neben der Treppe zu stellen und mich anzumiauen.

Was wollte sie mir damit sagen?

Ryan und ich hatten hier schon überall gesucht, warum stellte sie sich ausgerechnet hier hin?

Es sei denn...

Aufmerksam musterte ich die Tapete an der Wand. Das rote-Barock-Muster hatte eine gewisse Struktur an der Wand. Auf jedem Meter war eine Raute aus braunen Blumen, die von einem Kranz umzingelt waren.

Endless WhisperWo Geschichten leben. Entdecke jetzt