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Um mein Herz wurde es etwas leichter, als ich die schwere Metalltür hinter mir schloss und den Lärm des wummernden Basses und der jubelnden Menschen mit sich nahm.
Mit geschlossenen Augen ließ ich die kühle Nachtluft in meine Lungen strömen und beschloss, ein Stück zu gehen.
Schon ein paar Schritte weiter sah man an der nächsten Straßenecke, unter einem Ahornbaum eine Bank. Im Näherkommen erkannte ich,  dass dort schon jemand saß.
Das diffuse Licht der Straßenlaterne in Kombination mit dem spätherbstlichen Nebel verlieh dem markanten Gesicht der Jungen Frau etwas unwirkliches, magisches.
Jeder Photograph hätte seine Kamera ausgepackt und mit dem Kommentar "was für eine tolle Lichtstimmung" ein paar Bilder geschossen.
Ich trat nur eingeschüchtert vom einen Bein aufs andere und rang mit mir selbst, was ich jetzt tun sollte.
Irgendetwas in mir wurde von dieser Frau angezogen und wollte sie unbedingt kennenlernen, verwirrt von der Intensität dieses Gefühls brachte ich immerhin einem zusammenhängenden Satz zusammen.
"Kann ich mich zu ihnen setzen?"
Am liebsten hätte ich mir selbst eine verpasst.
Kann ich mich zu ihnen setzen? Ernsthaft?
Wie bescheuert klang das denn bitte!
Die Frau blickte zu mir hoch und schmunzelte, als müsste sie zuerst noch über die Frage nachdenken.
"Kommt drauf an welche Absichten sie damit hegen."
Sie hatte einen heftigen Akzent, definitiv Britisch.
Das schien sie aber irgendwie nicht zu kümmern.
Während ich mich setzte begann sie, in einem kleinen Täschchen zu kramen, das neben ihr auf der Bank lag.
Sie zog eine Zigarette heraus, klemmte sie sich zwischen die vollen Lippen und fragte mich, ob ich Feuer habe.
Als ich den Kopf schüttelte entfuhr ihr ein Salve Flüche in mehreren Sprachen, ich meinte Deutsch und etwas aus dem Osteuropäischen Sprachgebiet heraushören zu können.
Die Frau stopfte den Lungenschädiger zurück in seine Verpackung und streckte mir die Hand entgegen.
Die ganze Zeit über waren ihre Mundwinkel nach oben gezogen, die Form ihrer Lippen gab einem den Eindruck, sie sei die ganze Zeit über etwas amüsiert.
Vielleicht war sie das aber auch einfach nur.
"Anastasia. Sie können mich duzen."
Ich nahm die Hand und schüttelte sie sanft.
"Sebastian. Freut mich."
"Tut es das?"
Auf meinen fragenden Gesichtsausdruck hin begann sie verhalten zu lachen.
"Tur mir leid, Gewohnheit. Du kommst auch von der Party?"
Sie deutete in Richtung des Loftes inmitten von New York, wo ein Freund von mir heute seinen Geburtstag feierte.
"Mhm."
"Was machst du dann hier? Du siehst mir nicht wirklich betrunken aus."
Ich musste lächeln.
"Sagen wir es so, ich mag atmen. Was führt dich hier raus?"
Sie zuckte mit den Schultern.
"Ich wurde überredet herzukommen... Ich stehe nicht so auf exzessives herumgehüpfe und -gesaufe."
Verstehend nickte ich.
"Kennst du das Geburtstagskind?"
"Flüchtig. Ich kenne ihn über einen Freund."
Fröstelnd zog ich mein Jackett enger um mich.
Sie in ihrem dunklen Cocktailkleid, die Farbe konnte ich nicht erkennen, schien keineswegs zu frieren.
Ich wusste nicht, was mich plötzlich überkam, doch ich wollte dieses Gespräch nicht enden lassen.
"Hast du Hunger?"
Sie lachte.
"Es ist drei Uhr Morgens."
"Für irgendetwas wird New York ja wohl die Stadt die niemals schläft genannt werden."
"Ich könnte wirklich was zu essen vertragen."
Ich stand grinsend auf und hielt ihr eine Hand hin, um ihr hochzuhelfen.
Sie nahm sie und hakte sich bei mir unter.
"Ich bin mir sicher, irgendwo in dieser Gottverdammten Stadt gibt es eine Imbissbude, die noch offen hat."

Willkommen in meiner neuen FF! In diesem Kapitel gab es jetzt noch keinen Perspektivenwechsel, aber ab dem nächsten werden diese Wechsel damit ~ gekennzeichnet.
Manchmal muss man dann ein bisschen mitdenken, aber meistens erklärt es sich von selbst, wer gerade erzählt.
Xoxo,
Vicy

WintermärchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt