XXXXII

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If I get high enough
Will I see you again?

"Warum liegen wir auf einem Parkplatz?"
Nuschelte ich mit noch halb geschlossenen Augen und einem widerlichen Geschmack im Mund.
Alex lachte leise.
"Du hast zu viel getrunken und bist hier eingeschlafen, also habe ich mich dazugelegt damit es nicht aussieht als wärst du tot oder so."
Murrend setzte ich mich etwas auf und sah mich um.
Das letzte, woran ich mich nich erinnern konnte, war dass Alex und ich irgendwann losgezogen waren um mehr Alkohol zu kaufen.
Anscheinend hatten wir es nicht mehr nach Hause geschafft.
Wir befanden uns auf der obersten Etage eines dieser City-Parkhäuser, und das einzige über uns war der bedeckte Himmel Londons.
Nur zu gut konnte ich mir vorstellen warum mein betrunkenes Ich sich gerade diesen Ort zum schlafen ausgesucht hatte.
Immerhin hatte es nicht geregnet.
"Schau mal, sogar Jules ist hier."
Verwirrt runzelte ich die Stirn, bis mein Blick auf ein gigantisches Werbeplakat an einem Hochhaus gegenüber fiel.
In typischer Model-Manier lächelte sie direkt in die Kamera, und warb für irgendein überteuertes neues Kosmetikprodukt.
"Gott ist das schräg."
Ächzte ich und ließ mich zurück auf den Asphaltboden sinken.
"Bist du okay?"
Fragte Alex und sah mich liebevoll an.
Einen Moment lang zögerte ich.
Warum die Wahrheit sagen, wenn lügen so viel einfacher war?
Doch dann schüttelte ich den Kopf.
"Nein, nicht wirklich."
Er nickte.
"Ich werde für eine ganze Weile nicht okay sein. Aber irgendwann... Vielleicht wird es irgendwann anfangen weniger weh zu tun."

~

Etwas zu laut ließ ich die gefühlt hundertste Kiste auf den Fliesenboden im Eingangsbereich fallen.
Nach und nach begann sich die Wohnung zu lehren, und ich mich ein klein wenig besser zu fühlen.
Unsere Trennung war nun fünf Monate her.
Fünf Monate, in denen ich das Tief meines Lebens gehabt hatte.
Selbst im Schlaf ließen mich die Schuldgefühle nicht in Ruhe, und wie ich morgens überhäuft aus dem Bett kam wusste ich schon gar nicht mehr.
Doch gerade war ich dabei den ersten Schritt vorwärts zu wagen:
Ich würde umziehen.
Selbst ohne Stas Habseligkeiten in der Wohnung verteilt schrie doch jede Fliese, jeder verdammte Türgriff nach ihr.
Ich hatte ein kleines Appartement nahe des Central Parks ins Auge gefasst, dessen Miete weitaus günstiger war.
Einer meiner Schauspielkollegen hatte mir dazu geraten, in den letzten Monaten hatten wir uns besser angefreundet denn je.
Er schien so ziemlich zu verstehen was ich gerade durchmachte, nur dass es sich bei ihm zum positiven gewendet hatte.
Seine Frau und er hatten gerade ihr erstes Kind bekommen.
Tief in Gedanken versunken schlurfte ich zurück zu der übergroßen Abstellkammer, in der einmal sämtlicher Krempel herumgestanden hatte.
Nun waren nur noch ein paar letzte Kisten übrig, die nur danach schrieen weggeworfen zu werden.
Doch dazu war ich viel zu nostalgisch.
Egal wie banal die Sache auch war, ich würde immer eine Weile lang überlegen ob ich sie wirklich in die Mülltonne wandern lassen wollte.
Vielleicht konnte ich sie ja irgendwann noch einmal gebrauchen?
Ohne groß nachzudenken zog ich die hinterste Kiste hervor und platzierte sie so, dass ich die Sachen in ihrem inneren bequem durchsehen konnte.
Doch noch in der Sekunde in der ich den Karton öffnete stockte mir der Atem.
Dieser hier gehörte nicht mir.
Nun, bei näherem hinsehen, erkannte ich Stas krakelige Schrift an einer Seite der Kiste.
Ein Wort.
Erinnerungen.
Im Gegensatz zu dem Bild von uns beiden hatte sie diese Sachen hier nicht absichtlich zurückgelassen, das wusste ich irgendwoher.
Obwohl ich es nicht wirklich wollte setzte ich mich hin und begann die Kiste systematisch auszuräumen.
Eine alte Geige, ein roter Trenchcoat, ein altes paar Doc Marten's.
Alles Dinge die ich mir nur zu gut an einer jüngeren Anastasia vorstellen konnte.
Unter all diesen Dingen befand sich ein über und über mit Stickern beklebter Schuhkarton.
Wie Fremdgesteuert griff ich danach und öffnete ihn.
Hunderte von Photos quollen mir entgegen, vergessene Erinnerungen aus alten Zeiten.
Ich sah Alex, und Juliet, aber auch viele andere Leute, gemeinsam mit lauter Landschaftsbildern oder Fotografien von ganz normalen Dingen.
Jede hatte ihre eigene Bedeutung, und darin herumzuwühlen fühlte sich an wie ein Verbrechen zu begehen.
Trotzdem machte ich weiter und für eine ganze Weile lang spürte ich mich Anastasia wieder Nahe.
Ich merkte gar nicht dass ich angefangen hatte zu weinen.
Schließlich stieß ich auf ein Bild bei dem ich nicht wusste wie ich zu reagieren hatte.
Es war schwarz-weiß und zeigte Stas wie sie ungeschminkt und mit verwuschelten Haaren in die Kamera lachte während sie ihre Bluse zuknöpfte.
Ich hatte das Gefühl keine Luft mehr zu kriegen.
Genau dieses Lächeln hatte sie mir jeden morgen geschenkt, jedes mal wenn ich etwas dämliches oder liebevolles gesagt hatte.
Meine Kiefer pressten sich so fest aufeinander dass es wehtat.
Wer auch immer dieses Foto geschossen hatte war ihr mindestens genauso nahe gewesen wie ich, ich tippte einmal auf Alex.
Er hatte mir einmal erzählt dass er gerne fotografierte.
Doch das war nicht der Punkt.
Egal wie viel Zeit ich mir selbst gegeben hatte um sie zu vergessen, es hatte nicht funktioniert und würde es auch nie.
Egal wie sehr wir uns gegenseitig verletzt hatten, ich konnte nicht mit dem Gedanken leben sie zum letzten mal gesehen zu haben.
"Das wars."
Murmelte ich, an wen gerichtet wusste ich nicht wirklich.
Meine Unsicherheit?
Mein Gewissen?
Ich schob alles wieder zurück in die Kiste, bis auf die Schwarz-Weiß-Fotographie.
Diese ließ ich etwas später gemeinsam mit einer gewissen Schachtel in meiner Jackentasche verschwinden.
Geldbeutel, Handy, Kopfhörer.
Ich war gerüstet.
Zwar nur physisch, aber für den Moment war das genug.
Was auch immer kommen mochte, danach würde ich Gewissheit haben.

Stasbastian-Breakup-Playlist:
•Clairity-Exorcism
•Nothing but thieves- If I get high
•Bastille- Get Home
•Paramore- All I wanted
•Pink Floyd- Wish you were here
•Naughty Boy- Home
•Gabrielle Aplin-Home
•Mumford and Sons- Only Love
•New Order- Restless

Ja ich habe einen Shippernamen für meine Protagonisten. Ja, auch eine Playlist. Das liegt aber daran dass das Lieder sind die ich über alles Liebe, und die ziemlich zur Situation passen.
Was sagt ihr zum Zeitsprung?
Und zu Sebastians verhalten?
Meine Sommerferien haben übrigens gerade erst angefangen und ich fühle mich so inspiriert wie lange nicht mehr, also werde ich versuchen so viel nur möglich zu schreiben.
Love you all,
Vicy

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