IX

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"Du weißt dass es hier vier Uhr morgens ist?"
"Du scheinst ja noch wach zu sein."
"Eins zu null. Wie läufts mit Schauspieler?"
"Er hat einen Namen."
Ich verrenkte mich auf der Couch im Wohnzimmer und riskierte herunterzufallen, um and die schale mit den Chips auf dem Glastisch heranzukommen.
Davor schaltete ich den Telefonat mit Juliet auf Lautsprecher.
Wollte man an dem Abend an dem man mit ihr telefonierte noch zu irgendwas kommen war das eine unbedingt notwendige Maßnahme.
Sebastian war gerade erst gegangen, wir hatten zusammen gegessen, und sobald er zur Tür hinaus verschwunden war hatte ich schon die Kurzwahltaste meines Blackberrys gedrückt.
Ich hatte so schon fast zu wenig Zeit, aktiven Kontakt zu meinen beiden engsten Freunden zu halten, und jetzt fielen viele der Freitagabendtelefonate mit Juliet einfach so weg.
Sie lebte offiziell in London, war aber nie wirklich dort anzutreffen, verlangte ihr Job doch von ihr immer wo anders zu sein.
Sie war eine noch ruhelosere Person als ich, wenn das überhaupt möglich war, und der Job als Model passte ihren Lebensstil ihrer Persönlichkeit perfekt an, dazu kam auch noch ihre Kräfte und Nervenraubende On-Off Beziehung mit einem Unternehmer, die jeder andere schon längst beendet hätte.
Wir sahen uns nur selten, wenn sie in New York für Jobs war oder ich hin und wieder für Mandate, doch irgendwie schafften wir es immer uns nicht aus den Augen zu verlieren.
"Ich bin scheisse im Namen merken."
"Wird's wieder Zeit den Vodka loszuschicken?"
Da wir nicht zusammen trinken konnten, hatten wir irgendwann angefangen den Alkohol von Stadt zu Stadt zu schicken.
"Nein, geht gerade. Hör mal, meine Beziehung ist gerade total unspektakulär, Ana hat jemanden am Start!"
Ich verdrehte die Augen.
"Könntet ihr alle mal aufhören das als Ereignis des Jahrhunderts aufzumachen?"
"Übertreib nicht, aber Ereignis des Jahres passt allemal."
"Warum leg ich nicht einfach auf und rede nie wieder mit dir?"
"Du wärst dann sehr einsam."
"Meinst du?"
"Tut mir leid, ich hab deine Katze vergessen."
Unser Geplänkel verlor sich in Geplapper über Mandanten, Jobs und Werbekampagnen, das drei Stunden später darin endete dass wir hundemüde über dem Telefon hingen und schon nur noch flüsterten, weil unsere Stimmen vom Lachen heiser geworden waren.
"Ich werd nächstes Wochenende in New York sein, und dann verlange ich Schauspieler kennenzulernen."
"Ist gut."
Ich gähnte.
"Schick mir wann ich dich abholen soll."
"Du vergisst es sowieso."
"Es geht ums Prinzip. Freu mich auf dich."
Für längere Sätze war ich nicht mehr wach genug, murmelte ein leises 'Nacht' in das Tastenhandy und drückte auf den roten Knopf, indem ich mein Gesicht auf das Handy fallen ließ.
Mich darüber beschwerend, wie weh das wider erwarten getan hatte, erhob ich mich schwerfällig und schlurfte in mein Schlafzimmer.
Selbst jetzt, wo ich so unglaublich müde war, drehten sich meine Gedanken vor dem einschlafen nur um Sebastian.
War das überhaupt normal so früh schon eine solche Zuneigung zu einer Person zu schließen?
Zwar wusste ich aus persönlicher Erfahrung dass die tiefsten Freundschaften die waren, die schnell geschlossen wurden, aber zwischen Freundschaft und Romantik gab es doch einen großen Unterschied...
Es fiel mir schwer, irgendetwas zu beurteilen, da die einzig wirklich nennenswerte Beziehung in meinem Leben die zu Alex gewesen war.
Er hatte mich in meiner ersten Woche in New York aufgegabelt als ich mich in der großen Stadt verlaufen hatte,  und kurze Zeit später waren wir zusammengekommen und fünf Jahre lang zusammen gewesen.
Ich schüttelte den Kopf und boxte in mein Kissen, das nicht so recht bequem werden wollte.
Ich würde die Sache auf mich zukommen lassen und sehen, wie es sich entwickelte.
Das war auch Juliets Rat gewesen, und zur Abwechslung war der mal gar nicht so schlecht.
Ich rollte mich zusammen und hörte auf, mich gegen meine Gedanken zu wehren, die im Halbschlaf begannen sich das nächste Date mit Sebastian auszudenken.
Morgens wachte ich hundemüde aber glücklich auf, zog mich um und tapste ins Bad.
Dafür, dass ich nur drei Stunden geschlafen hatte, sah ich gar nicht mal so schrecklich aus.
Während ich mich fertigmachte kam Bastet laut maunzend ins Zimmer.
Immerhin hatte sie mich nicht wie sonst immer mit ihrem miauen geweckt, also legte ich die Wimperntusche beiseite und lief hinter meiner Katze her in die Küche, wo ich ihr übel riechendes Katzenfutter in den Napf füllte.
Abends, als ich gerade das Gericht verließ von der letzten Verhandlung des Tages, klingelte mein Handy schrill.
Hastig hob ich ab, um die tadelnden Blicke der Passanten nicht länger ertragen zu müssen.
Mein Tag wurde innerhalb von Sekunden gerettet, als ich seine Stimme hörte.
Als wir uns begrüßten klang ich etwas zu atemlos für meinen Geschmack.
"Was machst du morgen Nachmittag?"
Innerlich heulte ich auf.
"Ich muss arbeiten."
Bis jetzt hatte ich nie einen Problem mit Arbeit gehabt, dann kam er und am liebsten hätte ich gekündigt und wäre jeden Tag mit ihm essen gegangen.
"Den ganzen Tag?"
"Den ganzen Tag, und abends essen mit Kollegen."
"Dann, wie sieht's mit übermorgen aus?"
"Das müsste gehen, aber erst spät."
"Ich kann uns was kochen."
Ich begann zu grinsen.
"Du kannst kochen?"
"Wieso nicht?"
"Stimmt auch wieder."
"Kommst du vorbei?"
"Gerne."
Mein Herz begann zu klopfen. War der erste Besuch in seiner Wohnung etwas besonderes?
"Soll ich dir meine Adresse schicken?"
"Bitte, einfach so könnte ich mir das nicht merken."
Er lachte.
"Ich freue mich auf dich. Kannst du mir eine SMS schicken wenn du weißt ab wann du kannst?"
"Mach ich."
Ich hüpfte einmal mitten auf dem Gehsteig hoch und wäre fast mit meinen hohen Schuhen beim Aufkommen umgeknickt.
Ein Obdachloser am Wegrand lachte mich aus.
Sebastian am Telefon hatte davon nichts mitbekommen.
Wir unterhielten uns noch bis ich in meinem Wagen saß, dann verabschiedeten wir uns.
Ich warf mein Handy auf dem Beifahrersitz, quietschte erleichtert los und startete den Wagen, um zu Alex zu fahren.

Das ist hier jetzt der zweite Versuch für das Kapitel, der andere wurde gelöscht.
Irgendwie bin ich unzufrieden mit der Version.
Ich hoffe sie ist in Ordnung.
Alles Liebe,
Vicy

WintermärchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt