XXVI

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Während der letzte Preis dieses Abends verliehen wurde und die jungen Gäste begannen ungeduldig in Richtung Tanzfläche zu blicken, nahm Stas Glückwünsche entgegen und sah dabei aber aus als wollte sie die lästige, geheuchelte freundlichkeit einfach nur loswerden.
Immer wieder warf sie mir quer durch den Saal unsichere Blicke zu, als hätte sie Angst ich könnte verschwinden.
Vielleicht hätte ich das auch tun sollen, denn ich kam mir einfach nur fehl am Platz vor.
Das spaßlose Ehepaar hatte sich mittlerweile umgesetzt, sodass ich alleine am Tisch saß.
Ich versuchte mich abzulenken und begann die anwesenden zu mustern.
Einige der Kleider der Frauen waren bestimmt vierstelliges Geld wert, und doch stach Stas jede einzelne mit ihrer Schlichten, roten Robe aus.
"Können sie tanzen, Mister Stan?"
Erschrocken drehte ich meinen Kopf nach links.
Da stand sie und lächelte vorsichtig, ich meinte jedoch in ihren Augen den typischen Schalk aufblitzen zu sehen.
"Mit Verlaub, ja."
Ich stand auf und wollte sie einfach nur Küssen.

Innerhalb kürzester Zeit war sie durch mein Leben gewirbelt und hatte alles, wirklich alles durcheinander geworfen.
Langsam begann ich zu verstehen warum Hurricanes nach Frauen benannt wurden.

Stattdessen nahm sie meine Hand und zog mich auf die Tanzfläche.
Eine allen unbekannte Band stimmte gerade ihr zweites Lied an.
Während mein Herz so schnell schlug dass es mich wunderte dass niemand es hörte legte ich eine Hand auf ihre Taille und nahm mit der anderen ihre.
Langsam begannen wir uns im Einklang zu den ersten Takten des Lieds zu bewegen.
Als ich jedoch erkannte was für ein Lied es war hielt ich inne.
"Das Lied hörst du ständig."
Stas lächelte schief.
"Möglicherweise hat die Eventmanagerin ein paar Tipps für die Band bekommen."
Ihre Augen strahlten während sie mir direkt in meine blickte.
Aus Selbstschutz vermied ich es, ihren Blick zu erwidern, und sah an ihr vorbei.
Wir machten eine Drehung, und mir fiel auf dass wir gar nicht so schlecht tanzten.
Ich nahm allen meinen Mut zusammen und blickte ihr in die Augen.
"Ich vermisse dich."
Sie schlug die Augen nieder und versteifte sich unter meiner Hand.
Einen Moment lang schien sie kurz davor zu sein etwas zu sagen das ihr nicht behagte, doch dann fand sie ihre Souveränität wieder.
Wir drehten uns wieder, und wie aus versehen trennten unsere Lippen einen Moment lang noch nicht einmal Zentimeter.
Sie drehte sich aus und kam zurück in die Ausgangsstellung, wobei ihr Blick kurz auf meinen Lippen hängen blieb.
"Wir schaffen es nicht wirklich nur Freunde zu sein, oder?"
Ich lachte nervös.
"Nicht wirklich, nein."
Plötzlich sah sie sehr traurig aus.
"Aber du weißt genau dass ich meine Gründe habe."
Ihr Ausdruck sah aus als würde sie etwas von mir erwarten.
Ich nickte kaum merklich.
"Ich kann das ganze nicht einfach so leicht nehmen wie du, Stas. Aber ich hatte nie vor dich mit meiner Sorge zu verletzen. Ich will einfach dass es dir gut geht."
In ihren Augen standen Tränen.
Am liebsten hätte ich sie einfach fest an mich gezogen, wie ich es vor einer Weile noch immer gemacht hatte.
"Lass uns hier verschwinden."
Ihre brüchige Stimme zu hören fühlte sich an als würde sich etwas in mein Herz bohren.
Ich nickte.
Meine Hände lösten sich von ihrer warmen Haut.
Sie lief kurz zu unserem Tisch, nahm die Statuette und kam zurück zu mir.
Ohne ein Wort zu wechseln holten wir unsere Jacken an der Garderobe und stiegen in meinen Wagen.
Während der Fahrt schien sie sich etwas zu beruhigen, und blickte still aus dem Fenster.
Die Lichter der nächtlichen Stadt spiegelten sich in ihren Augen.
Schließlich parkten wir vor ihrem Wohnhaus, und keiner von uns beiden schien zu wissen was zu tun war.
"Soll ich dich noch hochbringen?"
Sie nickte und stieg aus, mir noch nicht einmal die Zeit lassend ihr die Tür zu öffnen.
Mit einer steinernen Miene drückte sie den Knopf für den Aufzug und schlüpfte aus ihren High Heels.
Als der Lift sich gehörig Zeit ließ lehnte sie ihren Kopf gegen die kühle Steinwand.
"Werden wir irgendwann darüber reden was zwischen uns los ist?"
Ich hatte das Gefühl,dass,würde ich jetzt nicht mutig sein, sie die Wohnungstür vor mir zumachen würde und wir uns vielleicht nie wieder sahen.
"Ich weiß es nicht."
Murmelte sie und strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
Ich trat näher, sodass sie mich ansehen musste.
"Bitte, Stas, gib uns eine Chance. Ich weiß, das ist ein schweres Thema für dich, aber diese Sache... Sie ist ein Teil von dir. Und was du dich weigerst zu verstehen ist dass ich dich auch mit diesem Teil liebe. Hörst du das? Ich liebe dich. Und ich glaube ich halte es nicht noch länger aus dich ständig zu sehen und dich nicht küssen zu dürfen."
Sie schluchzte und lehnte sich etwas nach vorne, dass ihr Kopf an meiner Brust lag.
Vorsichtig legte ich die Arme um sie.
Genau in diesem Moment öffneten sich die Aufzugtüren, wir betraten den Lift ohne uns auch nur eine Sekunde voneinander zu lösen.
Im Aufzug drückte sie den Knopf für ihre Etage und stellte sich wieder vor mich, immer noch mit tränen in den Augen und einem ruinierten Make Up.
Warnend blickte sie mich an, die verlaufene Mascara verlieh ihrem Blick noch mehr Intensität.
"Keine übermäßige Besorgtheit mehr. Ich kann selbst auf mich aufpassen."
~
Langsam legte ich eine Hand an seine Wange, in der einen hielt ich immer noch diesen mir plötzlich sehr unwichtigen Preis.
Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, meine Schuhe standen noch unten vor dem Lift, und küsste ihn vorsichtig.
Es fühlte sich so gut an.
Schon etwas sicherer legte Sebastian eine Hand auf meinen nackten Rücken und zog mich näher zu sich.
Sehnsüchtig ließ ich mich von ihm gegen die Aufzugswand drücken und ließ zu dass der Kuss inniger wurde.
Ich hatte ihn so vermisst.
Plötzlich öffneten sich die Aufzugtüren und eine alte Frau stieg ein.
Ich war etwas zu abgelenkt gewesen um zu bemerken dass das Gefährt angehalten hatte, auf einer Etage die so gar nicht meine war.
Mit brennenden wangen stoben wir auseinander und blickten beschämt zum Boden.
Die alte Dame blickte uns stirnrunzelnd nacheinander an, dann schüttelte sie den Kopf und heftete den Blick wieder an die Aufzugstür.
Ich verkniff mir ein Lachen und vermied es zu Sebastian zu blicken, dem es wahrscheinlich genauso ging.
Zum Glück war die übernächste Etage meine, und giggelnd wie ertappte Teenager stolperten wir aus dem Aufzug.
Schon vor meiner Tür trafen unsere Lippen wieder aufeinander, verlangender als je zuvor.
Wir konnten es kaum mehr erwarten etwas mehr zu tun als uns zu küssen.
Mit klopfendem Herzen kramte ich den Schlüssel aus meiner Jackentasche und öffnete die Tür.

Ursprünglich wollte ich eigentlich Snow Patrols Chasing Cars diesem Kapitel hinzufügen, weil es relativ bekannt ist und man dazu gut tanzen kann, aber dann ist mir dieses Lied hier wieder eingefallen, das viel besser vom Text her passt.
Love,
Vicy

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