XXXIV

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Dankend nickte ich dem Taxifahrer ein letztes mal zu und verließ den angenehm klimatisierten Schutz des Taxis, um sofort der prallen Sonne Atlantas ausgeliefert zu werden.
Es reichte nicht, dass es hier Hochsommer war und die Temperaturen dementsprechend waren, nein, hinzu kam auch noch die drückende Luftfeuchtigkeit, die Atmen zu einer Qual werden ließ.
Wie sollte man bei dem Wetter einen Film drehen, geschweige denn sich bewegen?
Etwas frustriert verstärkte ich den Griff um die Henkel meiner Reisetasche und machte mich auf den Weg zum Eingang des Filmsets.
Natürlich waren die Sicherheitsmaßnahmen vollkommen berechtigt, doch dauerte mir schon das Vorzeigen meines Besucherausweises entschieden zu lange.
Ich wollte meinen Freund sehen, verdammt nochmal.
Endlich wurde ich durchgelassen, und ich machte mich sogleich auf die Suche... Nach was eigentlich?
Ich hatte nicht die leiseste Ahnung wo ich hin musste.
Eine ganze Weile lang irrte ich durch endlos scheinende Reihen von Trailern, bis ich auf einen runden Platz gelangte, der schon eher so aussah als gehörte er zu einem Filmset.
Um meinem Arm eine Verschnaufpause zu gönnen ließ ich die große Ledertasche auf den Boden fallen und sah mich orientierungslos um.
Ich musste unglaublich verloren aussehen.
Immerhin würde ich hier weder verdursten noch verhungern, direkt vor mir stand ein großes Zelt das offensichtlich zum Catering gehörte.
"Anastasia?"
Erschrocken fuhr ich herum.
Auf einer Bank saß Chris Evans, der Hauptdarsteller dieses Films, in seinem Kostüm, und schien gerade Pause zu haben.
Eine Frau, die mir vage bekannt vorkam, benutzte seinen Schoß als Kissen und war, eine Hand auf ihrem leicht gewölbten Bauch ruhend, in ein Buch vertieft.
"Hi Chris."
Lächelte ich und war unglaublich froh jemanden gefunden zu haben den ich tatsächlich kannte.
Seb und er verstanden sich gut, und da viele der Meetings für diesen Film in New York stattgefunden hatten war er ein paar mal bei uns zum Essen gewesen.
Die dunkelhaarige Frau schien mittlerweile auch bemerkt zu haben dass ich ihre Ruhe gestört hatte, denn sie richtete sich ächzend auf und schirmte mit ihrer Hand ihre Augen gegen die gnadenlose Sonne ab.
"Hi."
Lächelte sie.
Chris, der in seiner Bewegungsfreiheit nun nicht mehr eingeschränkt war, stand auf und drückte mich an sich.
"Anastasia, das ist meine Frau Zada."
In diesem Moment fiel es mir wieder ein woher sie mir so bekannt vorgekommen war.
Ihre Zeitung hatte mich einmal in ihrem Wirtschaftsteil erwähnt, und ich war ihr schon öfters bei Veranstaltungen über den Weg gelaufen.
"Wir kennen uns glaube ich schon."
Grinste sie nun, und ich konnte nicht anders als das selbe zu tun.
Chris kratzte sich, da er jetzt irgendwie überflüssig geworden war, verlegen am Nacken.
"Du suchst Sebastian?"
Ich nickte wohl etwas zu heftig.
Er lachte leise und deutete vage in eine Richtung.
"Er ist noch am Set, müsste gerade mit der Szene fertig sein."
"Danke."
Seufzte ich erleichtert.
"Wir sehen uns noch?"
Ich nickte.
"Bestimmt."
Mit diesen Worten ließ ich das niedliche Paar hinter mir und stapfte tapfer dem Set entgegen.
Warum hatte ich mich auch dagegen entschieden, ein leichtes Sommerkleid anzuziehen?
Mein Blazer hing schon über meiner Tasche, selbst mein T-Shirt war mir zu warm, und meine Jeans wollte ich mir einfach nur noch vom Leibe reißen.
Ich war definitiv kein Mensch für große Hitzen.
Kälte konnte ich besser verkraften, hatten mich doch die Winterferien bei meinen Großeltern in Sankt Petersburg Jahr für Jahr abgehärtet, im wahrsten Sinne des Wortes.
Ich war gerade zu sehr in meine Gedanken vertieft, wie schön ein wenig Schnee oder wenigstens eine kühle Brise jetzt wären, dass ich bemerkt hätte wie unweit von mir Unmengen von Setrunnern herumwuselten.
Irgendwie hatte ich jemanden erwartet, der mir mit Fanfaren im Hintergrund sowas wie 'Yay, Anastasia, du hast das Set tatsächlich gefunden ohne an einem Hitzschlag zu sterben' verkündete.
Stattdessen hob mich jemand von hinten hoch und wirbelte mich durch die Luft.
Einen Moment lang dachte ich, mein Ende wäre tatsächlich so nahe wie ich es mir gerade erst ausgemalt hatte.
Ein Kerl in einer schwarzen Lederjacke, die mit den vielen Riemen an eine Zwangsjacke erinnerte, einer Pistole auf den Rücken geschnallt und einer Maske, die Nase und Mund verdeckte auf dem Gesicht, hob mich hoch.
Nach ein paar Sekunden erholte sich mein Verstand jedoch von dem Schrecken und kehrte aus den Schrank zurück in dem er sich verkrochen hatte.
So bemerkte ich auch, dass der Kerl einen Metallarm hatte.
Außerdem kannte ich diese Augen.
Ich würde sie überall erkennen.
Sebastian gab in der Maske ein merkwürdig schnaufendes Geräusch von sich, das ich als Lachen interpretierte.
Und richtig, er grinste breit als er sich das behinderte Ding vom Gesicht zog.
Mein Herz begann unglaublich schnell zu schlagen als ich nach so langer Zeit sein Gesicht endlich wieder sah.
Er schien nicht amüsiert genug zu sein weiterzulachen, sondern zog mich fest an sich und vergrub seinen Kopf in meiner Halsbeuge.
Ich drückte ihn noch fester an mich und strich ihm über das in der Zwischenzeit noch länger gewordene Haar.
"Hi."
Murmelte ich leise, aus Angst sonst den Moment zu zerstören.
"Ich habe dich so vermisst."
Antwortete mir Sebastian, und seine Stimme klang dabei so voll Trauer, dass es mir Tränen in die Augen trieb.
"Ich auch."
Als er sich endlich aufrichtete und mich sehnsüchtig küsste, fühlte ich mich als würde ich gleich umkippen, und zwar nicht wegen der ganzen Hitze.
"Jag mir bloß nie wieder so einen Schrecken ein, okay?"
Grinste ich mit noch geschlossenen Augen als wir uns wieder voneinander lösten.
"Versprochen. Du musst aber zugeben dass ich in dem Kostüm Hammer aussehe."
Ich lachte und schüttelte langsam den Kopf.
"Du bist ein Idiot."
Er zwinkerte mir zu, und ich kam nicht umhin zu merken wie gut ihm diese längeren Haare standen.
"Mit einem Einwand. Ich bin dein Idiot."
Er drückte mir einen Kuss auf die Wange und legte dann einen Arm um meine Taille, zum Glück nicht den der in einer Metallprothese steckte.
"Bitte lass uns mich aus diesem Zeug hier rauskriegen bevor ich umkippe. Welcher Vollschwachmat hat entschieden dass ich im Hochsommer in einem schwarzen Lederoutfit herumrennen soll?"
Ich lehnte meinen Kopf an seinen Arm und lachte.
Es fühlte sich so gut an, wieder in seiner Nähe zu sein.
Gemeinsam machten wir uns auf den Weg zu einem temporär aufgestellten Container, in dem sich laut Sebastian das Kostüm-Department befand.
Ohne mich auch nur einmal loszulassen klopfte er etwas schüchtern an der Tür.
Eine etwas ältere, freundlich aussehende Dame machte auf und begann sofort zu lächeln.
"Aah, Sebastian! Fertig für heute?"
Er nickte.
Der Blick der Frau fiel auf mich.
"Und das ist...?"
Ich konnte nicht anders als rot zu werden als sich Sebastian stolz aufrichtete.
"Anastasia. Meine Freundin. Stas, das ist June, sie ist das Genie hinter unseren Kostümen."
"Hör auf zu schmeicheln und setz dich dahin dass ich dich aus dem Aufzug rauskriege."
June wedelte wild mit ihren Händen in Richtung eines Stuhls, der vor einem Spiegel stand.
Mit ihrem schnellen reden und dem herumgefuchtel erinnerte sie mich irgendwie an Jules.
Während sie sich daran machte, vorsichtig jeden einzelnen Knopf der Lederjacke zu öffnen, begann sie in rasantem Tempo von Gott und der Welt zu erzählen.
Ich stand als stille Beobachterin daneben und wechselte hin und wieder über den Spiegel belustigte Blicke mit Sebastian.
"Du siehst so enttäuscht aus."
Grinste er mir zu als June gerade eine Redepause eingelegt hatte.
Ich biss mir auf die Unterlippe um nicht laut loszulachen und hob eine Augenbraue.
"Das sollte mein Job sein."
June lachte laut los.
"Ich bin schon weg."
Sie hob die Hände um zu signalisieren dass sie fertig mit ihrer Arbeit war.
"Ich hab noch einen Termin, deine anderen Sachen sind da hinten in der Kiste."
Sie wollte schon durch die Tür verschwinden, da drehte sie sich noch einmal um.
"Und der Arm bleibt hier."
Sie zwinkerte uns noch zu, dann schloss sie die Tür hinter sich und war verschwunden.
Ich begann zu lachen.
"Also ich wusste ja schon dass du stolz auf den Arm warst, Babe, aber so heftig?"
Sebastian begann ebenfalls zu lachen, erhob sich sich streckend von seinem Stuhl und lief zu mir.
Dann küsste er mich dass mir schon wieder schwindlig wurde.
"Wofür war das denn?"
"Darf ich meine Freundin nicht gebührend begrüßen?"
Ich grinste.
"Es sei dir gewehrt."
Ich zog ihn wieder an mich, ignorierte die Tatsache dass er komplett durchgeschwitzt war, und vertiefte den Kuss.
Wir lösten uns erst wieder etwas atemlos voneinander, als ich schon Platz auf einem leeren Requisitentisch gefunden und meine Beine hinter seinem Rücken verschränkt hatte.
Ich hielt sein Gesicht mit beiden Händen umfasst und lächelte, die Konturen seines Kiefers fasziniert nachfahrend.
"Wir machen einen Deal. Du wirst dieses Kostüm endlich komplett los, duschst dich und zeigst mir dann deinen Trailer."
Er brummte zustimmend und küsste mich noch einmal hungrig, genau wissend was ich mit 'Trailer' gemeint hatte.

"Deal."

Bonjour mes amis!
Hier mal wieder ein etwas längeres Kapitel, in dem die beiden irgendwie schon wieder nicht die Finger voneinander lassen können.
Menschenskinder, wie katholische Karnickel im Frühling.
Oops.
Bitte vergesst einfach was ich da gerade geschrieben habe und fühlt euch versichert, dass das nächste Kapitel bald kommt.
JAHRESTAG DER BEIDEN
Nicht ganz, aber fast. Werdet ihr dann schon sehen hehe.
Jaja schon gut ihr seid mich schon los.
À bientôt,
Vic

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