XVIII

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Ich konnte mir ein breites, dämliches Grinsen nicht verkneifen als ich den Gang wie ein Eindringling entlanghuschte, darauf bedacht möglichst nicht entdeckt zu werden.
Die Praktikantin am Empfang schien schon geschockt genug gewesen zu sein mich in einer Kanzlei zu sehen, sie hatte mit weit aufgerissenen Augen gefragt ob ich in Schwierigkeiten steckte.
Meine Antwort hatte geklungen wie aus einem dämlichen Spionagefilm.
"Ich will nur wissen wo das Büro von Miss Vestnik ist."
Sie hatte heftig genickt und den Gang entlanggezeigt.
"Das vorletzte Büro links."
Die Tüten mit dem Essen hatte ich versucht im vorbeigehen diskret zu verstecken.
Nun stand ich vor der Tür aus Milchglas und dachte darüber nach wie dämlich das war was ich gerade veranstaltete.
Leise drückte ich die Klinke herunter, öffnete sie nur einen Spalt weit und schlüpfte in den Raum.
Mein Herz schlug aus dem Takt sobald ich Stas sah.
Sie saß mit einem Bein angewinkelt auf ihrem Drehstuhl, einzelne Haarsträhnen hatten sich aus ihrem Dutt gelöst und fielen ihr ins Gesicht, und sie kaute auf einem Bleistift herum.
In ihren Ohren steckten Kopfhörer, weshalb sie erst nach einigen Augenblicken bemerkte dass sie nicht mehr alleine im Raum war und von ihren Notizen aufblickte.
Ihre Augen leuchteten auf und sie lachte, was wundervoll aussah.
"Was machst du denn hier?"
"Ich habe dich vermisst."
Zuckte ich mit den Schultern.
Ihr Blick fiel auf die Tüten.
"Und du hast essen mitgebracht! Hast du was angestellt?"
Sie feixte und stand auf, um mir entgegenzukommen.
Ich stellte das essen auf dem großen Schreibtisch ab, der übersäht mit Dokumenten und dem Verpackungsmüll von Teebeuteln war, und küsste sie zur Begrüßung.
~
Den Gedanken, dass es wahrscheinlich niemand so toll finden würde meinen Freund in meiner Arbeit aufkreuzen zu sehen einmal beiseitegeschoben , war ich unglaublich froh ihn zu sehen.
Gleich nachdem wir aus Wien zurückgekommen waren hatte ich einen neuen Fall angehängt bekommen, mit dem ich in den letzten beiden Wochen alle Hände voll zu tun gehabt hatte.
Das hieß früh ins Büro, unmengen an trockener Recherche und langweiliger Verhandlungen, und das bis spät abends.
Dabei blieb nur wenig Zeit für Zweisamkeit.
Es fiel mir überhaupt schwer den Kuss zu beenden, für so etwas banales wie sich zu unterhalten.
"Also."
Begann Sebastian, nahm das Essen wieder von meinem Schreibtisch und setzte sich im Schneidersitz auf den grauen Teppichboden.
"Wir haben Nudeln, Frühlingsrollen, dieses komische Barbeque das du so magst, und Wan Tan."
Er blickte mich erwartungsvoll aus seinen so schönen tiefblauen Augen an und ich hatte Schwierigkeiten mich von seinem Blick loszureißen und ihm zu antworten.
Am liebsten hätte ich ein Photo von ihm gemacht, wie er so auf dem Boden saß, umringt von chinesischen Takeaway-boxen und mich mit diesem Blick ansah, der jedes mal meine Knie weichwerden ließ.
Das da war mein Freund.
Ich setzte mich ihm gegenüber und griff nach dem Char Siu.
"Wie bist du hier überhaupt reingekommen?"
Diese Frage musste nun einmal gestellt werden.
"Ich befürchte ich habe eurer Praktikantin einen ganz schönen Schrecken eingejagt."
Meine linke Augenbraue wanderte nach oben und ich grinste belustigt.
"Du meinst die Tochter vom Chef?'
Sebastian verschluckte sich an seiner Frühlingsrolle.
"Auf jeden Fall hat sie mich gefragt ob ich in Schwierigkeiten stecke. Schien mich zu kennen."
Seit seinem letzten Film, der im Juli herausgekommen war, war seine Bekanntheit rasant gestiegen.
"Und, stecken sie in Schwierigkeiten, Mister Stan?"
Fragte ich neckisch.
"Ich muss es mir leider eingestehen und offen zugeben. Da gibt es diese Frau, die mir Schwierigkeiten bereitet."
"Schwierigkeiten welcher Art?"
"Schlaflose Nächte. Probleme einen klaren Kopf zu bewahren. Herzrasen."
Er blickte von seinem Essen auf, direkt in meine Augen.
"Vielleicht geht es dieser Frau genauso."
Hauchte ich, nervöser klingend als ich es gewollt hatte.
Sebastian grinste breit.
"Meinen sie ich sollte ihr gestehen was ich fühle, wenn sie viel zu knapp bekleidet durch die Wohnung rennt?"
Ich versuchte mich an einem geheimnisvollen Lächeln, was gar nicht so leicht war wenn einem die Wangen brannten.
"Sie weiß schon längst von ihren Gefühlen für sie."
"Und was denkt sie darüber?"
Unsere Gesichter trennten nur noch wenige Zentimeter.
"Ich glaube sie denkt dass sie ein wenig merkwürdig sind."
Sebastian stüzte sich lachend auf mich und begann mich gnadenlos zu kitzeln.
Giggelnd wie ein liebestolles Huhn, obwohl das mit dem liebestoll gar nicht einmal so falsch war, versuchte ich seine Hände loszuwerden.
"Hör auf!"
Japste ich, atemlos vom Lachen.
Er hörte tatsächlich auf und küsste mich leidenschaftlich.
"Wir sollten vielleicht aufhören bevor jemand was von mir braucht, man kann die Türen nicht abschließen."
Meinte ich und versuchte meine Gedanken wieder in eine sinnvolle Reihenfolge zu bringen. Eher schlechte Idee wenn Sebastian immer noch über mir lag.
"Ihr Anwälte seid auch so spaßlos."
Lachte er und küsste mich noch einmal, aber die Spannung war leider, oder zum Glück verschwunden.
Mehr hätte mein Herz wahrscheinlich nicht mitgemacht.
"Wie lange kannst du dich freimachen?"
Er rappelte sich auf und setzte sich wieder hin, mich dabei so mithochziehend dass ich mich gegen seine Brust lehnen konnte.
Ein leiser Seufzer schlüpfte durch meine Lippen.
"Wahrscheinlich nicht einmal eine Stunde. Ich warte auf einen Anruf."
Ich spielte mit der goldenen Kette um meinen Hals.
Sebastian legte seinen Kopf über meine Schulter.
"Eine Stunde klingt doch gut."
Wir verbrachten die Zeit, die schlussendlich dich leider etwas kürzer wurde, mit Essen, Gesprächen und Lachen, und mir fiel auf wie gut es mir trotz dem Stress im Job zurzeit ging.

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