III

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In den nächsten Tagen versuchte ich so gut es ging nicht an die nächtliche Begegnung mit dieser Frau zu denken.
Sogar meinen Anzug von diesem Abend hatte ich in die Reinigung gegeben, als könnten die Erinnerungen aus dem schwarzen Stoff herausgewaschen werden.
Trotzdem fiel es mir schwer, diese unglaublich fesselnden Augen zu vergessen.
Einmal träumte ich sogar von Anastasia.
Ziemlich verstörend.
Zum Glück hatte ich gerade ziemlich viel von meinem Job aus zu tun, vor allem mit Interviews und Fotoshootings.
Eine Woche nach der verhängnisvollen Begegnung rief die Wäscherei an, dass mein Anzug fertig sei.
Es war früher Abend, und ich beschloss einen Spaziergang durch das herbstliche, sich langsam auf den Winter vorbereitende New York zur Wäscherei zu machen, die paar Meter laufen würden bestimmt nicht schaden.
Also schlüpfte ich in meinen dicken Daunenmantel und schloss die Tür meiner Wohnung hinter mir.

"Mr. Stan?"
"Mh?"
Ich blickte der Besitzerin des kleinen Waschsalons verwundert ins rundliche Gesicht.
Anscheinend war ich etwas in Gedanken versunken.
"In ihren Jackentaschen war noch ein Zettel, habe ich gesagt, warten sie, ich hatte ihn noch irgendwo."
Ich horchte auf.
Ein Zettel?
Die Frau begann, zerstreut Schubladen ihres Verkauftresens auf und zu zu ziehen.
Nach ein paar Minuten entfuhr ihr ein triumphierendes, leises "Ha!".
Sie hielt einen kleinen, gelben, Post- It Zettel hoch.
Den knallte sie mir auf den Tresen.
Ich legte meinen mit Plastikfolie verhüllten Anzug über den Tresen, um beide Hände frei zu haben, und nahm den Zettel genauer unter die Lupe.
Plötzlich konnte ich gar nicht anders als wie ein irrer zu grinsen.
Stürmisch drückte ich der Frau einen kuss auf die linke Wange, die mich ansah als wäre ich gerade aus der Psychiatrie entflohen.
"Sie sind ein schatz!"
Rief ich, nahm meinen Anzug in die eine, den Zettel fest in die andere Hand und hüpfte glücklich aus dem Laden.
Dass ich vergessen hatte zu zahlen kümmerte mich nicht.
Wenn diese Nummer auf dem Zettel das war, was ich vermutete, war all das Trübsal der letzten Tage umsonst gewesen.
Zurück in meiner Wohnung warf ich den Anzug achtlos im Eingangsflur über einen Sessel und stürmte zum Telefon.
Die Nummer schon halb gewählt hielt ich inne.
Was wollte ich denn überhaupt sagen, angenommen es war wirklich ihre Nummer?
'Hier ist der Kerl von letztens Nacht, weißt schon, der mit dem Hot Dogs, wollen wir was essen gehen'?
Ich schüttelte den Kopf.
Sonst war ich doch auch nicht so unsicher.
Etwas entspannter wählte ich zu Ende und drückte auf den grünen Knopf.
Wahrscheinlich hätte ich mein Telefon gegen die Wand geworfen, wäre die Person, die ich gerade anrief, nicht Anastasia.
Es wählte eine ganze weile, dann meldete sich die Mobilbox.
Zum zweiten mal in dieser kurzen Zeit sank meine Laune auf den absoluten Nullpunkt.
Sie sind verbunden mit der Mobilbox von Anastasia Vestnik. Leider bin ich im Moment nicht erreichbar, bitte hinterlassen sie eine Nachricht nach dem Piep.
Ich verkniff mir ein frustriertes Knurren.
~
Als mein Telefon klingelte, lag ich gerade im Bett und arbeitete ein paar alte Dokumente auf meinem Laptop durch.
Meine Katze Bastet hatte es sich gerade auf meinem linken Bein bequem gemacht, und zugegebenermaßen war ich einfach zu faul mich im Bett umzudrehen und nach dem Telefon zu greifen, und damit auch noch die traute Zweisamkeit von mir und meinem tierischen Mitbewohner zu zerstören.
Also ließ ich etwas genervt vom Klingelton den Anrufbeantworter für mich sprechen.
Ein breites Lächeln stahl sich auf mein Gesicht, als ich seine raue Stimme hörte, die etwas verwirrt klang.
"Hey... Hier ist Sebastian, von letzens."
Er machte eine kurze Pause.
"Ich habe deine Nummer in meinem Jackett gefunden... Gott, keine Ahnung was ich jetzt sagen soll.
Naja, ich würde dich gerne wieder sehen, vielleicht hast du ja Lust bald was essen zu gehen? Du könntest mich zurückrufen... Oder ich ruf einfach nochmal an. Okay, ich rufe nochmal an. Bitte, lösch diese Nachricht einfach wieder."
Mit einem merkwürdigen Laut des Entzückens Sprang ich auf, sehr zum Missfallen meiner Katze.
Sie blickte mich vorwurfsvoll aus ihren gelben Augen an.
Wie ein kleines Mädchen drückte ich mir das Telefon an die Brust und hüpfte in die Küche, wo ich mir zur Feier des Tages ein Glas Wein einschenkte.
Bastet war mir in die Küche gefolgt und auf die Kochinsel gehüpft, ich prostete ihr zu.
Die schien sich wahrscheinlich gerade zu fragen was gerade bei mir schief lief.
"Morgen ruf ich ihn zurück."
Schwor ich mir selbst, während ich seine Nummer einspeicherte, mich bettfertig machte und schlafen ging.

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