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Eigentlich hatten wir vorgehabt zusammen zu essen. Eigentlich.
Denn als wir uns in der Tür gesehen hatten schien mein frisch gekochtes Essen plötzlich ziemlich unwichtig geworden zu sein.
Wir schafften es noch nicht einmal mehr in mein Schlafzimmer, sondern torkelten zur Couch, die zum Glück groß genug war um nicht zu zweit herunterzufallen.

"Was hast du eigentlich gekocht?"
Ihre Stimme holte mich zurück ins Jenseits, meine Gedanken waren glücklich abgeschweift und vernebelt herumgeirrt.
Ich schnaubte.
Anastasia hatte mit dem Rücken zu mir gelegen und, meinen Arm als Kissen benutzend, aus dem Fenster gesehen.
Nun drehte sie sich um und in meiner Bauchgegend regte sich etwas als ich ihr ins Gesicht sah.
In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie einen Menschen mit so lebendigen Augen gesehen, das braun ihrer Augen wechselte merkbar im Takt ihrer Emotionen die Schattierung.
Und es waren nicht nur ihre Augen die mit Schwierigkeiten bereiteten mich ans Atmen zu erinnern.
Ihre Haare waren zerzaust und fielen ihr wirr ins Gesicht, ihre Wangen waren immer noch gerötet.
"Nichts besonderes."
Flüsterte ich schweren Herzens mit dem Gefühl, den Moment zu zerstören selbst wenn ich nur flüsterte.
~
Ich wusste nicht wann ich mich das letzte mal so gut gefühlt hatte.
Es war wie das aufwachen aus einem schönen Traum, wenn sich alles perfekt und die Welt sich in Ordnung anfühlte.
Wirklich, alles war perfekt.
Ich wollte mich einfach nur strecken und für immer so liegenbleiben, mit ihm gleich neben mir.
Draußen war es schon seit längerem dunkel, und nach den Anstrengungen auf der Couch gerade eben machte sich mein Bauch mit einem grummeln bemerkbar.
"Was heißt nichts besonderes?"
Ich stützte meinen Kopf auf meine Hand.
Er verdrehte die Augen und setzte sich leicht auf.
"Spaghetti."
Mein Magen freute sich.
Ich griff auf den Boden neben mir und bekam mein Tshirt und meine Unterhose zu fassen.
In einer versucht eleganten Bewegung schlüpfte ich in die dürftige Kleidung und machte mich auf den Weg in die Küche, an der wir vorhin vorbeigekommen waren.
Sebastian sah dem ganzen nur lachend zu.
Als ich gerade die kleine Küche betrat hörte ich aus dem angrenzenden Wohnzimmer seine Schritte.
Sebastians Wohnung lag in keinem bestimmten Viertel, aber gerade so dass man schnell in der Innenstadt war.
Sie war gerade perfekt für jemanden alleine, vielleicht auch noch für zwei Leute, aber ab drei Leuten würde die Wohnung wahrscheinlich eng werden.
Die Küche zum Beispiel sah schon voll aus nachdem nur ein kleiner Tisch darin stand.
Dieser war schon gedeckt, das hatte er wohl gemacht bevor ich gekommen war.
Sebastian lief an mir vorbei und deutete auf einen der Stühle.
"Möchte sich die Dame setzen?"
Grinsend setzte ich mich auf den Stuhl, der ohne Hose etwas kalt war.
Er öffnete einen auf dem Herd stehenden Topf, sah nach ob der Inhalt noch warm war, nickte zufrieden, verteilte etwas auf zwei bereitstehenden Tellern und setzte sich neben mich.
Das Essen war nicht schlecht, und währenddessen unterhielten und lachten wir als kannten wir uns schon länger als ein paar Dates.
Trotzdem passierte es irgendwie dass das ganze wieder in heftigen Küssen endete, die im Schlafzimmer endeten.
Diesmal dauerte es länger als das mal vor dem Essen, und ich hatte das Gefühl dass wir von mal zu mal besser wurden.
Ging das überhaupt?
Ich hatte definitiv zu wenig Erfahrung für eine Frau meines Alters.

Manchmal, wenn ich gut schlief, passierte es mir dass ich am nächsten morgen nicht sofort aufwachte, sondern mich noch wenige Augenblicke in einem Nebel zwischen Realität und Traum aufhalten konnte, der mir Vorgaukeln konnte ich sei an einem Strand in Bali und ich hätte es in diesen Augenblicken geglaubt.
Als ich an diesem Morgen aufwachte dachte ich einen Moment lang, ich wäre zurück in der kleinen Wohnung in Wien, in der ich bis zu meinen Teenagerjahren gewohnt hatte.
Sie war ein Schmuckstück gewesen, im Jugendstil, und direkt über einem Kaffeehaus.
Meine Mutter hatte es gehasst, aber ich hatte es geliebt wie alle Räume den ganzen Tag lang nach frisch geröstetem Kaffee gerochen.
Dabei trank ich noch nicht einmal Kaffee.
Ich hatte auch keine Kaffeemaschine, wahrscheinlich der Grund für meine Verwirrung beim Aufwachen.
In meiner Wohnung roch es nie morgens nach Kaffee.
Dann erst wachte ich richtig auf und bemerkte, dass das Bett, dass so gar nicht mein eigenes war, leer war und ich aus der Küche Geräusche hörte, die mich schließen ließen dass Sebastian schon wach war.
Gähnend streckte ich mich und drehte mich so um, dass ich geradewegs dem Wecker auf seinem Nachttisch ins Gesicht blickte.
Ich hätte seit zwei Stunden im Büro sein sollen.
Den ersten Schock überwand ich mit einem Schulterzucken. Ich war noch nie zu späte gewesen, und sicherlich würde niemand nachfragen wenn ich meinem Chef auftischte dass ich mich am Morgen übergeben hatte.
Obwohl, das könnte vielleicht doch für unangenehme Fragen sorgen... Egal.
Im Moment war mir alles Recht, was mich länger in seiner Nähe sein ließ.
Ich gähnte noch einmal und suchte die Klamotten, die ihren weg noch in das Schlafzimmer gefunden hatten zusammen.
Als ich in die Küche kam war der Tisch schon gedeckt und in einer Pfanne auf dem Herd brutzelten Spiegeleier.
Und über allem dieser Duft von Kaffee.
Ich stellte mich zu Sebastian an den Herd, schlang meine Arme um seine Taille und legte meinen Kopf auf seine Schulterblätter.
Er drehte sich leicht und änderte die Umarmung, sodass er jetzt die Arme um meine Taille hatte und mir ins Gesicht blicken konnte.
"Das mit dem Übernachten müssen wir in Zukunft besser regeln, ich bin schon viel zu spät."
Er lächelte schelmisch und küsste mich sanft.
"Dir auch einen guten morgen."
Sagte er leise als er seine Stirn gegen meine lehnte.
Dass ich eigentlich schleunigst ins Büro fahren sollte hatte ich schon längst wieder vergessen.

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