Eine nicht ganz so schlimmer Tag.

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Als ich erwache ist die Sonne gerade dabei, sich an einem Wolkenlosen blauen Himmel in die höhe zu schieben.

Wie kann der Tag so schön aussehen, wenn ich mich so mies Fühle. Das ist ungerecht. Sollte es nicht regnen?
Aber regen spiegelt nicht mal ansatzweise das wieder, was ich fühle. Vielleicht käme ein herabbrausender Wasserfall, der mich unter seinen Wassermassen erdrückt, dem Schmerz und der Niedergeschlagenheit, die ich empfinde am nächsten.

Steif stehe ich auf. Mir bleibt nichts anderes übrig, denn wenn ich nicht auf der Arbeit erscheine, dann muss ich in den Knast und das will ich nicht.
Egal wie eingesperrt ich mir in diesem Zimmer vorkomme, im Gefängnis ist es sicher einhundert mal schlimmer.


Bedauernd ziehe ich Ians Jacke aus,  knülle sie zusammen und schiebe sie unter mein Kopfkissen. Meine restlichen Anziehsachen werfe ich einfach auf den Boden, der natürlich immer noch ein einziges Chaos ist.

Mit frischen Sachen bewaffnet und in meinen Bademantel gehüllt, gehe ich über den Flur ins Bad, um zu duschen. Ich kann riechen, das schon jemand vor mir hier war. Die Luft ist feucht und es duftet nach Pfirsich.
Sicher ist Mara schon auf. Sie steht immer früh auf. Außerdem ist Montag und Pascal muss arbeiten. Ich kann nur hoffen, dass er schon weg ist.

Ich steige aus meinem Bademantel und hänge ihn neben die Dusche an einen Haken. Dann drehe ich das Wasser auf und lasse die warmen strahlen über meinen Körper fließen. Mir ist kalt, also drehe ich das Wasser noch heißer auf und seufze wohlig, als mir die Hitze fast meine Haut versengt.
Ich dusche lange. Viel länger als sonst. Lasse mich von der warmen Feuchtigkeit umspülen, versuche dem Wasser einen teil meiner Anspannung zu übergeben und mich zu entspannen.

Als ich endlich die Dusche ausstelle ist meine Haut ganz rot, das Zimmer mit Wasserdampf gefüllt und der Spiegel beschlagen.
Ich trockne mich ab, ziehe mich an und gehe, ohne noch einen Blick auf mich zu werfen. Ich will mich nicht ansehen, will nicht sehen, wie hässlich ich bin. Heute schminke ich mich nicht einmal, ich bleibe einfach so wie ich bin. Sollen doch alle über mich herziehen, dass tun sie ja ohnehin immer zu.
Ich gehe die Treppe nach unten, ziehe meine Schuhe an und nehme mir eine Cap unter der ich meine Haarstummel verstecke. Dann öffne ich die Tür.

>>Wills du gar nichts essen?<< fragt Mara unsicher hinter mir

Kurz verharre ich in der Bewegung, doch dann gehe ich einfach raus und schließe die Tür vor ihrer Nase.

Bis zur Bushaltestelle ist es nicht weit. Ein Blick auf die Anzeigetafel zeigt mir erstens, dass es sechs Uhr dreißig ist und zweitens, das mein Bus in zehn Minuten kommt.
Ich bin viel zu früh dran. Meine Schicht beginnt erst um neun.  
Trotzdem steige ich in den Bus um zur Arbeit zu fahren, ich könnte mir nichts schlimmeres vorstellen, als noch zwei stunden zu hause zu hocken, die Wände in meinem Zimmer anzustarren und mich womöglich mit Mara auseinandersetzten zu müssen.
Ich setzte mich ganz nach hinten in den Bus und scrolle durch die Playlist auf meinem I-Phone, das Mike mir gestern noch wiedergegeben hat, als wir auf der Straße vor meinem Haus standen.

Ein Lied, von Sarah Conner fällt mir ins Auge und ich drücke auf Play.
Schon die Erste Strophe scheint mir, mein Leben zu beschreiben.

" Der sechszehnte Sommer, die Koffer gepackt,  
mich nochmal umgedreht, weil ich pass hier nicht rein,
mir war die Welt zu klein"

 singt sie.

Ja, die Koffer sind gepackt, zumindest fast. Aber ich gehe nicht freiwillig, oh nein, ich werde gezwungen, aber gehen muss ich trotzdem.

Ich höre das Lied noch weiter, obwohl es mich traurig macht. Aber als sie zu der Stelle kommt, an der sie davon spricht, das Jemand immer für sie da ist, egal was auch passiert stoppe ich den Song, das ertrag ich nicht!
Für mich ist niemand da, war nie da und wird auch nie da sein! Also was soll der scheiß!
Ich scrolle weiter und halte bei "Alles kann besser werden", von Xavier Naidoo, in der Hoffnung er möge Recht haben und dass das auch auf mich zutrifft.

Nach diesem Lied, kommt noch eines und noch eines ich höre kaum mehr zu, erst als Xavier von dem Weg singt, der vor ihm liegt und der nicht leicht ist schalte ich ab. Warum müssen diese Songs alle zu mir passen, können die nicht einfach irgendeinen Scheiß singen.
Von Gänseblümchen meinetwegen oder von sieben Tage Regenwetter.

Ja, Verdammt, der Weg, den ich bald gehen werde, wird kein leichter sein. Und,
Ja, Verdammt der Weg wird steinig und schwer.
Und kann ich was daran Ändern? Nein Verdammt!
Also halt Verdammt noch mal die Klappe!

✔All I want is... YouWo Geschichten leben. Entdecke jetzt